Unter Hundemenschen gibt es ein geflügeltes Wort, welches besagt, dass jeder den Hund bekommt, von dem er noch was lernen kann.
Eines ist mal sicher: Ich habe Oskar bekommen, um mich von meinem Perfektionismus zu kurieren!
Grundsätzlich spricht nichts gegen Perfektionismus, finde ich. Warum sollte man etwas, das man begonnen hat, nicht möglichst gut machen wollen?
Nur, dass mir das nie gelingen will …
Ich finde immer noch irgendein Detail, mit dem ich nicht zufrieden bin. Und es gibt immer jemanden (und sei es ein Mensch, der das, was ich als Hobby betreibe, professionell ausübt), der es besser kann, als ich.
Nicht nur, dass man sich mit dieser Haltung wieder und immer wieder selbst den Spaß versaut. Man kann auch eine Menge Zeit damit verballern, Dinge, die so wie sie sind, völlig in Ordnung sind, immer noch ein bißchen besser machen zu wollen.
Für meinen Hund war ich voll von Ideen, was der nicht alles lernen sollte!
Nicht, dass ich vorgehabt hätte, bei irgendwelchen Turnieren zu starten. Ich wollte einen ganz normalen Alltagshund. Den allerdings vollendet erzogen.
Sich für dieses Unternehmen ausgerechnet einen Aussie auszusuchen, war dann schon recht verwegen. Der Australian Shepherd ist eine anspruchsvolle Rasse (zumal, wenn es sich wie bei meinem um eine Arbeitslinie handelt …): Sensibel, intelligent, kreativ.
Kein Problem, einem solchen Hund etwas beizubringen!
Die Kunst besteht eher darin, ihm nur das beizubringen, von dem man tatsächlich möchte, dass er es lernt.
So habe ich mit meinem passionierten Jäger zum Beispiel einen „Komm-Pfiff“ trainiert, mit dem ich ihn aus größerer Entfernung und im Fall der Fälle auch aus der Hetze zu mir rufen kann. Da es sich um eine schwierige Übung handelt, gibt es für ihr Gelingen stets eine besonders hochwertige Belohnung.
Erreicht habe ich zunächst, dass mein Hund wie ein Pfeil von mir weg schoß, sich nach ungefähr 100 Metern umdrehte und signalisierte, er sei jetzt soweit, ich könne pfeifen.
Und das ist nur ein Beispiel von sehr sehr vielen …
Oskar hat eine Menge gelernt. In aller Regel versteht er sehr genau, was ich von ihm möchte und er würde nie willentlich ungehorsam sein.
Er hat nur manchmal eine bessere Idee. Meint er jedenfalls …
Hinzu kommt, dass er kein so ganz pflegeleichter Charakter ist, der zum Beispiel engeren Sozialkontakt zu fremden Hunden durchaus nicht schätzt. Was meinen Sozialkontakt zu den dazugehörigen Besitzern eines ums andere Mal etwas schwierig gestaltet.
Um nun diesen Hund entsprechend meiner ursprünglichen Vorstellungen „umzumodeln“, hätte ich so durchdacht, planvoll, vorausschauend, gelassen, selbstbeherrscht, konsequent, also so dermaßen perfekt vorgehen müssen, dass ich es (und mich) selbst nicht ertragen hätte.
Stattdessen habe ich gelernt, ihn so anzunehmen, wie er ist. Mich nicht auf seine Schwächen (also meine Erziehungsfehler!) zu konzentrieren, sondern auf die Stärken, die ja auch viel spannender sind und mich bis heute zu verblüffen vermögen.
Er ist nicht der Hund geworden, der mir in meinem Perfektionismus vorgeschwebt hatte.
Aber er ist der perfekte Hund für mich!
Es wäre schön, sagen zu können, dass mir ein solcher Blick auch auf mich selbst gelänge.
Das ist nicht der Fall.
Aber immerhin bin ich imstande, ein wenig nachsichtiger mit mir umzugehen.
Selbstreflektiert bist du auf alle Fälle – herzlichen Glückwunsch! 🙂
Konzentriere dich mal bezüglich deines Perfektionismus mal auf die Tätigkeit an sich, die du ausführst – und nicht auf das Ergebnis. Versuche den Moment und die Tätigkeit an sich zu genießen, so dass du am Ende mit der Ausführung an sich zufrieden bist. Und das Ergebnis dann an zweiter Stelle kommt. Merkst du den Unterschied?
Alles Liebe,
Julia
PS.: Das nennt sich dann prozess- anstatt ergebnisorientiert.
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Danke!
Ich arbeite dran … 🙂
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Perfektionismus, richtig eingesetzt, kann eine „Gabe“ sein und Dich sehr weit bringen! Man muss nur lernen, dieses Talent kontrolliert einzusetzen. Das braucht Zeit und Training. Und man muss lernen, den Perfektionismus auch loslassen zu können, wenn er jetzt gerade nicht gebraucht wird 🙂 Bei der Arbeit mit einem Hund, der ein *Tier* ist, lernt man genau das! Ich als Wissenschaftler-Nerd hab einen verrückten, hochaktiven JackRussell-Mix. Der ganz anders ist, als erwartet. Und der so ziemlich alles bei mir im Leben auf den Kopf gestellt hat, was nicht digital ist und im Rechner stattfindet 😉 Der Spruch stimmt echt genau: jeder bekommt nicht den Hund, den er sich wünscht, sondern den, den er braucht.
Back to the roots, das hab ich gelernt. Gefühl, Herz, Intuition, Humor, Timing, Instinkt – das alles braucht man bei der Arbeit mit einem Tier. Das steckt in jedem von uns, man muss sich nur auf seine Kindheit zurückbesinnen und einfach viel bewusster „im Moment“ leben. Was siehst Du, hörst, riechst, schmeckst, fühlst Du? Tolles Buch dazu: „Das Achtsamkeitstraining“ (Williams & Penman), wissenschaftlich vielfach erwiesenes, extrem effektives Training. http://www.randomhouse.de/Paperback/Das-Achtsamkeitstraining-20-Minuten-taeglich-die-Ihr-Leben-veraendern/Mark-Williams/e451921.rhd
Als job-bedingte digitale Perfektionistin hab ich gelernt, vor allem jetzt mit Hund, wie ich *perfekt* alle Fünfe gerade sein lassen kann!! 🙂 Der Hund ist immer Dein Spiegel – wie Du Dich fühlst, was Du brauchst, wo es bei Dir hapert, wo Du Dich weiterentwickelt hast. Und als Tier (das sind wir auch!) kennt der Hund keinen Perfektionismus, sondern nur DICH. Was Du fühlst, was Du willst. Und das ist es, was zählt. In diesem Sinne, langer Comment aber wichtiges Thema…liebe Grüße, Eddies Frauchen
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