Shaolin

Als ich ein Kind war, wurde am Samstagnachmittag, wenn nicht „Daktari“ oder „Tarzan“, „Kung Fu“ geguckt – und am Sonntag waren wir dann alle Caine, der tapfere Shaolin-Mönch …
Ich vermute, das Einhorn hat dann auch vor dem Fernseher gesessen – zu meinem Text vom Atmen und vom Weinen bemerkt es jedenfalls folgendes:
„Ich behaupte, das Problem liegt darin, daß wir das Kind immer nur innen lassen sollen. Als Kind hätte ich mir pragmatisch im Wald einen ordentlichen Knüppel gesucht und Shaolin-Mönchsmäßig auf irgendwelche Bäume eingeprügelt. Was ich tatsächlich getan habe als Kind. Das Kind mal nicht innen lassen. Wie immer es heißen mag.“
Ich habe nie auf Bäume eingeprügelt. Caine übrigens auch nicht. Der hat, wenn es gar nicht anders ging (aber es ging nie anders!), die Bösen verdroschen und dem Guten zum Sieg verholfen.
Aber ich verstehe den Gedanken: Es ist sicher besser, Wut, Enttäuschung, Frustration rauszulassen, als mit der Zeit daran zu ersticken. Und wenn dabei nur ein paar Stöcke zu Bruch gehen und Rindenstücke durch die Gegend fliegen, dann scheint mir das grundsätzlich kein schlechter Weg zu sein.
Ich selbst kann mich überhaupt nicht erinnern, als Kind Wutanfälle gehabt zu haben.
Sehr wohl aber daran, dass es meinen Eltern (vor allem meinem Vater, glaube ich) außerordentlich wichtig war, Konflikte ruhig und sachlich zu klären. Im Gespräch. Für kindliches Schreien, mit dem Fuß aufstampfen, oder eben mit Stöcken auf Bäume einprügeln war da vielleicht einfach kein Platz.
Und heute würde es nicht mehr reichen. Wenn mich heute eine Wut überrollt, die womöglich seit Kindertagen darauf gewartet hat, endlich auf etwas einschlagen zu dürfen, dann sind Stöcke und Bäume (sorry!) Kinderkram. Dann will etwas in mir will ich, dass Dinge kaputtgehen, dass es weh tut. Das ist sinnlos und destruktiv und soll (will) es auch sein!

Deswegen hilft zum Beispiel „Holz hacken“ überhaupt nicht (oder mit der Spitzhacke arbeiten): Die körperliche Anstregung tut gut und ja, es macht Spaß, etwas kurz und klein zu schlagen. Ich hacke ausgesprochen gerne Holz! Aber es ist einfach zu konstruktiv, kommt doch etwas Brauchbares, ja Notwendiges dabei heraus …
Und natürlich sollte man seine Finger von der Axt lassen, wenn man nicht gelassen und konzentriert mit ihr zu arbeiten in der Lage ist: Bei aller Zerstörungswut will ich das Ding nicht in meinem Schienbein stecken haben!

In der für mich beeindruckendsten Folge von „Kung Fu“ (jedenfalls ist es die einzige, an die ich mich tatsächlich erinnere) ging es übrigens nicht um Kampfkunst, sondern um den Umgang mit der eigenen Angst: Caine soll in seinem Kloster auf einem schmalen Balken über ein Becken balancieren, das mit Säure gefüllt ist. Auf dessen Boden sieht man die Skelette derer, denen dies mißlungen ist. An sich ist die Aufgabe nicht schwer: Es sind nur wenige Schritte und der Balken bietet genug Platz. Dennoch stürzt er prompt. Und stellt fest, dass es sich bei der vermeintlichen Säure um klares Wasser handelt und die Skelette lediglich Bilder sind, mit weißer Farbe auf schwarze Tücher gemalt, die sein Meister nun milde lächelnd aus dem Wasser zieht. Es war einzig und allein seine Angst, die ihn hat stürzen lassen; die Angst vor einer Gefahr, die lediglich in seiner Vorstellung existierte.
Möglicherweise war ich zu jung, um hieraus eine Erkenntnis zu destillieren, die mich durch mein weiteres Leben zu leiten vermocht hätte. Oder aber die Weisheit der Mönche läßt sich via Fernsehserie dann doch nicht so richtig einprägsam vermitteln. Vielleicht ist genau das aber auch typisch für Angsterkrankungen: Da können noch so viele Mönche bemalte Laken aus klarem Wasser ziehen – für mich bleibt das Säure und ich gerate immer wieder aus dem Gleichgewicht.

Alice Wunder greift den Gedanken des Einhorns auf und fragt
„Warum nicht den Shaolinweg gehen und bewußt die Auseinandersetzung suchen? Die friedvolle, entspannende Meditation scheint ja da an Grenzen zu stoßen, wo die überflutenden dunklen Gedanken als Störung und Fehler wahrgenommen werden. Also warum nicht direkt Kampfkunst, wo die vermutete Angstquelle, das böse, von Beginn an Teil des Systems ist. Da heißt es dann: Selbstverständlich ist die dunkle Gasse bedrohlich und du hast allen Grund mit verkrampften Schultern und krummem Rücken rumzulaufen. Aber wenn du übst, deine Muskeln zu entspannen, kann der gelockerte Körper allem, was da kommen mag, einfach schneller auf die Nase hauen. Und Entspanntheit ist Mittel, damit man die Gefahren besser wahrnimmt. Je nach Vorliebe reichen da die möglichkeiten von engumschlungenem Ringen bis zu freistehenden Schwertübungen ohne jeden Körperkontakt.“

two-on-a-phacelie-q-webEin „Selbstverteidigungskurs!“ hat, als ich noch eine junge Frau war, immer ganz weit oben auf meiner to-do-Liste gestanden – nur gemacht habe ich ihn nie. Dennoch habe ich gelernt, mich zu schützen. Mich nicht wie ein Opfer zu bewegen, zum Beispiel: Mich eben nicht gekrümmt an der Hauswand entlangzudrücken, sondern aufrecht mitten auf dem Bürgersteig zu schreiten. Wenn es mir wirklich unheimlich war, habe ich meinen Schlüsselbund in die Faust genommen, so dass zwischen zwei Fingern jeweils ein Schlüssel hervorstak. Ich kann mich an eine Situation erinnern, wo – bis ich mit dem Arrangieren meiner Schlüssel denn mal fertig war – der entgegenkommende Mann, der mich beunruhigt hatte, die Straßenseite gewechselt hatte …
Statistisch sind, sofern man nicht in einer ganz üblen Gegend unterwegs ist, die dunklen Gassen eh viel weniger gefährlich, als sie erscheinen mögen, dennoch ist die Angst, überfallen zu werden, eine rationale.
Das Nervige an Angsterkrankungen ist eher, dass die Ängste nicht nur irrational sind, sondern man das zu allem Überfluss auch noch weiß … es nützt nur nichts … Selbstverständlich habe ich keine Angst davor, dass ab einer Anzahl von x Menschen in einem geschlossenen Raum diese plötzlich über mich herfallen werden. Ich empfinde in solchen Momenten überhaupt keine Angst. Ich verspüre Paniksymptome und wenn sie zu heftig werden, muss ich raus. Schnell. Deswegen wäre das Bewußtsein, mich im Fall der Fälle wehren zu können, zumindest für mich auch keine Hilfe.
Eher kann ich mir vorstellen, dass das sehr bewusste und konzentrierte körperliche Agieren sich positiv auf die seelische Verfassung auswirkt. In diesem Punkt allerdings ist mir persönlich Yoga lieber, weil es ohne Gegner auskommt.
Aber vielleicht liest jemand mit, der das mal ausprobiert hat und davon berichten mag …?

Hin und wieder habe ich die Auseinandersetzung durchaus gesucht.
Als mir vor einigen Jahren eher zufällig ein Flugblatt in die Hände fiel, das Kletterkurse unter anderem mit dem Argument bewarb, diese würden gegen Höhenangst helfen, habe ich mich kurzerhand zu einem solchen Kurs angemeldet. Und hab schon Schnappatmung bekommen, als mir im Vorgespräch klarwurde, dass geplant war, eine 25 Meter hohe Wand zu erklettern – ich hatte mir so 5 Meter vorgestellt …
Des weiteren hatte ich nicht bedacht, dass es sich bei besagter Wand nicht etwa um glatten Indoor-Beton mit bunten Kunststoff-Nuppies handelte, sondern um einen veritablen Felsen im Westerwald. Für den Fall eines Sturzes ins Seil hab ich mein Kinn schon auf jedem einzelnen Felsklümpchen aufschlagen sehen, das da aus der Wand ragen mochte …
Gemacht hab ich’s trotzdem. Ich hab mich 25 Meter Felswand hochgerauft und bei der Gelegenheit gelernt, dass der Fachmann es „Nähmaschine“ nennt, wenn die Unterschenkel vor Überanstrengung zu zittern beginnen. Hab mir die Knie grün und blau geschlagen, weil ich sie benutzt habe, um mich voller Erleicherung auf die nächste Felsstufe zu rollen anstatt ordentlich zu klettern. Aber ich bin oben angekommen!
Für die Abseilübungen musste ich am Händchen zum Startpunkt geführt werden. Dort habe ich mich mit fest geschlossenen Augen an den Felsen geklammert bis ich eingesichert war. Jetzt nach hinten fallen lassen? Kein Problem: Alles, was mich wieder nach unten brachte, war okay für mich! Nachdem ich mich im ersten Anlauf noch am Seil festgehalten hatte (was a. nichts bringt, denn, wenn der Mensch der einen sichern soll, loslässt, fällt man mitsamt dem Seil, und mir b. den schlimmsten Muskelkater meines Lebens eingetragen hat), habe ich Vertrauen gefaßt und mich freihändig abseilen lassen. Anfangs „geht“ man dabei die Wand hinunter. Später, wenn man den Bogen raushat, stößt man sich davon ab wie die SEKs im Krimi, wenn sie ein Gebäude stürmen. Es war toll!
Der Knoten ist dennoch nicht geplatzt: Höhenangst hatte ich hinterher immer noch.
Mit dem Leiter des Kurses bin ich später auf einen Viertausender gestiegen. Er meinte, ich könne das schaffen und ich hab mich so geehrt gefühlt, dass ich das Wagnis eingegangen bin. Als Teil einer Seilschaft, meinen Eispickel in der Faust, habe ich einen Gletscher überquert und bin über Gletscherspalten gesprungen. Ganz schmale nur, aber wenn man so davorsteht … All das trotz, nein, mit meiner Angst! Und ich glaube nicht, dass ich die einzige war, die auf dem Gipfel heulen musste – nicht vor Erleichterung, sondern schlicht überwältigt.
Damals war ich schon richtig krank (im Sinne von „monatelang krankgeschrieben“), das macht die Erinnerung, einen Berg „bezwungen“ zu haben, für mich zu etwas sehr Besonderem. Auf keinen Fall würde ich diese Tour missen wollen! Aber gesund gemacht hat sie mich nicht.

Bei besagter schwieriger Situation nun, die ich mittels Meditation zu bewältigen versucht habe, ging es nicht um Angst. Vermutlich auch nicht um Wut, sondern eher um Hilflosigkeit, Verletztheit. Um ein Gefühl, das ich vorher nicht einmal hätte benennen können.
Menschen mit einer sehr lebhaften Fantasie, habe ich einmal gelesen, die in der Lage seien, eine verhasste Person in ihrer Vorstellung zum Beispiel umzubringen, zu zerhacken und im Wald zu vergraben, würden im realen Leben nicht zu Gewalttaten neigen. Ich selber morde lieber indirekt: In Fällen echt mörderischer Laune gucke ich gerne Horrorfilme. „From dusk till dawn“ zum Beispiel habe ich zum ersten Mal nach einem echt üblen Tag im Büro gesehen – und bin anschließend sehr heiter und entspannt aus dem Kino gekommen. Wenn ich also wahlweise ein Dutzend Teenager geschlachtet, Aliens und Zombies losgelassen, oder aber die Hölle geöffnet habe, fühle ich mich gleich besser. Kurzfristig jedenfalls.

Ich las andererseits, dass die Energie der Aufmerksamkeit folgt. „Worauf Du Deine Aufmerksamkeit richtest, da geht auch Deine Energie hin!“
Sollte das zutreffen, tue ich mir keinen Gefallen, wenn ich in meiner Fantasie Hindernisse bewältige, Auseinandersetzungen für mich entscheide, Feinde in die Flucht schlage. Oder eben besonders mißliebige Zeitgenossen mit der Axt zu Wildschweinködern verarbeite. Weil ein und dieselben dunklen Gedanken ja immer wieder kommen. Schlag ihnen den Kopf ab und es wachsen zwei neue nach …

Das Achtsamkeitstraining, mit dem ich mich seit einigen Wochen beschäftige, beschreitet einen anderen Weg: Die dunklen, schmerzhaften Gedanken sind Gedanken wie alle anderen auch. Sie kommen und gehen. Sie gehen, sofern man sie nicht festhält. Vor allem aber sind sie Gedanken, keine Tatsachen.
Es geht, auch bei den schwierigen und schmerzhaften Gedanken / Erinnerungen / Situationen, nicht darum, diese zu bekämpfen, sondern mit ihnen zu leben. Mit dem normalen Jucken der Realität, wenn man so will.

Da ich erst kurze Zeit und vor allem fast* ohne Anleitung vor mich hin dilettiere, bin ich guter Dinge, dass bei meinen Meditationsversuchen das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht ist!
Das Ergebnis meiner Bemühungen ist zwar nicht immer so ganz das erhoffte, aber immerhin gibt es Ergebnisse! Und: Das Gefühl benennen zu können, anstatt einfach nur von ihm überrannt und gebeutelt zu werden, war für mich ein großer Durchbruch, das sieht die Schieferliebe ganz richtig. Ebenso wie die Erkenntnis, dass es nicht jetzt entstanden ist (in diesem Fall würde es wohl eher helfen, auf Bäume einzuschlagen, oder – besser noch – mit der berühmten Faust auf den Tisch zu hauen), sondern schon lange darauf wartet, endlich beachtet zu werden.
Mag sein, dass da noch ein langer Weg vor mir liegt, bis ich mal so friedvoll und gelassen draufkomme, wie man sich das vom Meditieren erhofft …

Als eine liebe Freundin von mir mit ihrer Psychoanalyse begann (wenn ich mich recht erinnere mit drei Terminen pro Woche, immer vor der Arbeit), hab ich sie gefragt, ob da nicht ein bißchen sehr viel Zeit bei draufginge. „Ich war 20 Jahre lang depressiv“, hat sie mir geantwortet „da habe ich Zeit verloren!“.

* MBCT (Mindfulness-Based-Cognitive-Therapy) ist eine Form des Achtsamkeitstrainings, die speziell auf Menschen zugeschnitten ist, die unter Ängsten und Depressionen leiden. Da ich nicht die Möglichkeit habe, an dem dazugehörigen 8-wöchigen Trainingsprogramm teilzunehmen, habe ich mir das entsprechende Buch sowie die CD besorgt.

Veröffentlicht von

dieschattentaucherin

Schreibwütige Depressive auf ihrem Weg ins Sonnenlicht

19 Gedanken zu „Shaolin“

  1. Gegen Ängste mag Holz hacken oder andere körperliche Arbeit nicht direkt helfen. Gegen Frustration schon eher. Ich liebe es zum Beispiel, Kompost umzusetzen. Auch der Abriss einer furchtbar hässlichen Gartenlaube kann sehr befreiend sein.
    Tatbereite Grüße aus dem Garten 🙂

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  2. Das sich der Angst stellen, um sie loszuwerden, was du am Beispiel der Höhenangst beschreibst, funktioniert dann (eher), wenn es nicht nur die reine Konfrontation ist, sondern begleitet wird mit Reflektion usw., ursprünglich stammt dieses Verfahren ja aus der Verhaltenstherapie. Ich bin meine Angst vor Leitern auch nicht losgeworden, als ich einen halben Tag lang auf Höhe des 4 Stocks (Berliner Altbauten mit 4 m Deckenhöhe) auf einer Leiter stand, der Hof sah ziemlich eng und klein aus unter mir, aber es fehlte wohl die Reflektion.
    An die von dir erwähnte Folge erinnere ich mich übrigens auch, ob ich damals daraus einen Schluss gezogen habe, weiß ich ehrlich gesagt nicht mehr.
    Was wollte ich noch sagen?.. vergessen. Eben war es noch da. Ich lass es einmal so stehen und besuche dich einfach wieder. Mir gefällt übrigens dein Motto – auf dem Weg ins Licht und oh, ich kann es gut nachvollziehen 🙂

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  3. Hm, ich müsste nur einmal die Straße überqueren und wäre in einem Dojo. Vielleicht sollte ich dem mal eine Chance geben, denn ich erinnere mich durchaus daran, dass ich als Kind auch mit Stöckern auf Bäume eingerdroschen habe, wenn ich wütend war. Und mir hat es geholfen.

    Liebe Grüße, Friede

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  4. Der hat, wenn es gar nicht anders ging (aber es ging nie anders!), die Bösen verdroschen und dem Guten zum Sieg verholfen.

    Bäume sind böse! Voll! Zumindest hatte ich nie ein Problem damit, mir das vorzustellen.

    Dann will etwas in mir will ich, dass Dinge kaputtgehen, dass es weh tut. Das ist sinnlos und destruktiv und soll (will) es auch sein!

    Ah-ha. Kettensägensyndrom. Kenne ich 🙂

    An die Säurebad-Folge erinnere ich mich sogar. Ich muß das mal geguckt haben. Unfaßlich!

    Ein „Selbstverteidigungskurs!“

    Das ist exakt der Punkt. Wie verteidigt man sich gegen sich selbst? Das bringen sie einem nämlich in keinem Kurs bei.
    Aber wenn Du schon als Bergziege erfolgreich warst – da steckt doch was an Kraft in dir drin. Ich morde übrigens lieber direkt, wenn ich so richtig miese Laune habe. Da wird mit der Pumpgun durch die Gänge gestürmt und alles gefraggt, was nicht freiwillig tot umfällt. Wie oft die Pixel schon unter mir leiden muten…aber es hilft mir normalerweise.

    Wenn ich mehr meditativ sauer bin, baue ich Dinge auf. Sternenreiche. Handelsimperien. Mehr konstruktiv eben. Aber deswegen lache ich immer, wenn wieder einer „Killerspiele“ verbieten möchte. Wie viele Leute ich schon nicht erschossen habe in meinem Leben.. 🙂

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  5. Höhenangst hab ich auch. Die reicht, dass ich den piependen Rauchmelder unter der Zimmerdecke nicht zum Schweigen bringen kann, da ich auf die Leiter steigen müsste 🙂
    Daher meide ich Leitern und Balkone mit niedriger Brüstung.
    Allerdings weigere ich mich, diese Angst beim Skilaufen zuzulassen. Weder im Lift noch am Berg. Das beweist mir, dass man es bekämpfen kann, allerdings muss der Druck groß genug sein. Und das Skilaufen lass ich mir nicht nehmen …

    Zur Wut hab ich mir nach Lesen Deines Textes viele Gedanken gemacht. Was ist das eigentlich? Ärger auf andere, sich selbst? Gehört Kontrollverlust dazu?
    Je älter ich werde, desto weniger ärgere ich mich über mich selbst. Ich akzeptiere inzwischen, dass ich manchmal nicht so reagiert habe, wie ich mir das im Nachhinein wünsche. Und andere ändern sich nicht, wenn ich mich über sie ärgere. Das ist wie Hupen im Stau – zwecklos. Daher möchte ich auch selten irgendwas treten oder gar zerstören.

    Zum Judo. Gestern war Training, und ich war müde und lustlos vorher. Nachher war ich so entspannt, dass ich den Arbeitstag vergessen hatte. Dazu reichten 60 Minuten Konzentration und Spaß! Fallen und Werfen machen wirklich Spaß und tun auch nicht weh. Boden-Randori hat was vom Toben früher – wann kann man sowas als Erwachsene schon noch machen! Man kniet voreinander und versucht gleichzeitig 🙂 den anderen auf den Rücken zu befördern und dort festzuhalten. Man erkennt sich selbst kaum wieder und ist nach jeweils 3 Minuten körperlich völlig fertig.
    Einen „Gegner“ hat man beim Judo nur im Wettkampf, und Wettkampfsport betreibe ich nicht. Da es sich um eine Verteidigungssportart handelt, greift man nur zu Trainingszwecken „angedeutet“ an. Ohne Schläge, Tritte und dergleichen. Der „Angegriffene“ nutzt dessen Angriffsschwung zum Konter.
    Wir sind eine gemischte Gruppe (Männer und Frauen von 40-65 Jahren) und haben vor ca. 10 Jahren alle neu angefangen, ohne Vorkenntnisse. Ungewohnt war es am Anfang, dass „wildfremde“ Männer auf mir draufliegen und mich festhalten, mittlerweile auch würgen dürfen. Dieses Panikgefühl (zumal ich mich rein gewichts-und krafttechnisch nicht unbedingt selbst befreien kann) kann ich mittlerweile ertragen. Das würde mir sicherlich im Angriffsfall nachts im Park helfen, ebenso wie das Wissen um die Kraftverhältnisse. Das ist zwar ernüchternd, aber Fakt. Immerhin kann ich einen halbwegs kühlen Kopf bewahren und, da ich mich ja auch entsprechend wehren würde, auf den Überraschungseffekt hoffen. Viele Männer sind regelrecht entsetzt, wenn man sie als Frau beherzt und entschlossen am Schlaffit packt.
    Schließlich lernt man auch Fallen. Wer weiß, wofür das noch gut ist im Leben.

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    1. Liebe Sabine,
      hab Dank für Deinen ausführlichen Kommentar!
      Darüber werde ich noch ein Weilchen nachzudenken haben …
      So wie Dir mit dem Skifahren, ging mir das mit den Bergen. Ansonsten hätte ich auf Höhe einfach dankend verzichtet, aber ich wollte mich von dieser schittigen Angst einfach nicht davon abhalten lassen, in die Berge zu gehen.
      „Hupen im Stau“ ist toll – das muss ich mir unbedingt merken! 😀
      Und „Fallen lernen“ ist ein interessanter Gedanke …
      Liebe Grüße
      Iris

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