Mit Beginn des Krieges in der Ukraine bekommt das Stichwort „transgenerationales Trauma“ eine vollkommen neue Bedeutung für mich.
Im ersten Moment muss ich mich um ein Haar übergeben.
Dann werde von dem Gefühl überwältigt, dass mir DAS! WIEDER! passiert.
Wie bei einem déjà-vu, nur dass es nicht mit einem kurzen „mir ist, als hätte ich das schon einmal erlebt“ Moment getan ist. Es ist grauenvoll. Und es hört nicht auf!
Nach zwei Tagen voller Panik, während derer ich wieder und wieder in Tränen ausbreche, tritt Aglaia nach vorn und bekämpft Feuer mit Feuer: Ich bekomme höllische Schmerzen.
Das funktioniert: Ich kann nicht gleichzeitig Schmerzen und Panik haben.
Obwohl ich meine Anteile noch gar nicht kenne – habe ich doch gerade erst verstanden, dass ich überhaupt Anteile habe – spüre ich, dass sie zu helfen versuchen.
Aber mit Fortdauern des Krieges werden alle anderen – selbst T. – sehr still.
So still, dass ich anfange, sie zu vermissen.
Ich hatte gerade begonnen, sie wahrzunehmen, habe mich bemüht, ihnen zuzuhören, zu vermitteln wenn sie unterschiedliche Bedürfnisse hatten … jetzt komme ich mir vor, als müsse ich meine gesamte Energie darauf verwenden, nicht einfach auseinanderzufallen.
Morgens liege ich im Bett und schaue meinen Schmerzen beim Wandern zu – eine Art umgekehrter Bodyscan.
Ressourcen wie Humor und Kreativität, die – vermute ich – von mehreren Anteilen genutzt werden, liegen brach und ich quäle mich durch die Tage. Mag den Hof nicht verlassen: Mir ist alles zu viel.
Glücklicherweise scheine ich beim Yoga vom „Tun“ ins „Sein“ übergegangen zu sein … das ist sehr viel weniger überkandidelt, als es klingt:
Etwas zu tun (oder zu lassen), muss ich jeden Tag auf’s Neue entscheiden, etwas zu sein, nicht.
Es ist ein Unterschied, ob ich entscheide, heute mal nicht zu rauchen, oder heute auf Fleisch zu verzichten, oder ob ich Nichtraucherin oder Vegetarierin bin. Dann nämlich ist die Entscheidung ein für alle Mal getroffen, ich denke nicht mehr darüber nach.
Ich bin eine Yogini, ein Mensch, der Yoga praktiziert, und lande, ohne mich oder einen inneren Schweinehund groß überwinden zu müssen, so ziemlich jeden Tag auf meiner Matte.
Ganz gleich, wie es mir geht, es fühlt sich richtig an!
Für die, die mich / uns noch nicht kennen und um Missverständnissen vorzubeugen: Yoga, wie ich es praktiziere, hat äußerst wenig mit Sport oder Gymnastik, aber eine Menge mit innerer Arbeit zu tun. Das kann von außen durchaus so aussehen, als läge ich – wenn auch ein wenig verdreht – einfach nur da. Sportlichen Ehrgeiz entwickle ich zwar durchaus auch, aber nur, wenn ich mal einen richtig guten Tag habe.
Beim Meditieren dagegen bin ich deutlich noch im „Tun“ und ohne Anleitung fällt es mir zur Zeit noch schwer. Aber es ist mir gelungen, die Götter des Internet gnädig zu stimmen und kann immerhin regelmäßig am Online-Kurs teilnehmen.
Außerdem ist mir die traditionelle cevenole Schlendermeditation wieder eingefallen!
Dass unser Badezimmer nicht im Haus, sondern ein eigenes Häuschen ist, zu dem wir ein paar Schritte laufen, hab ich sicher mal erzählt!
Mindestens einmal am Tag laufe ich auf dem Rückweg um die Hofgebäude herum – „take the long way home“ sozusagen …
Und gebe dabei acht: Betrachte den Boden, registriere all die winzigen Pflanzen und Insekten, die Düfte, spüre Sonne und Wind, schnuppere, spitze meine Ohren.
Seit ich mich habe aufraffen können, ein wenig zu gärtnern besuche ich auch regelmäßig „meine“ Pflänzchen und schaue ihnen beim Wachsen zu.
Dann gelingt es mir, einen Moment lang, einfach zu tun, was ich tue.

Die Weisheit des Mönches
Ein Mönch wurde gefragt, warum er trotz seiner vielen Aufgaben immer so gesammelt sein könne: „Wie gestaltest du denn dein Leben, dass du so bist, wie du bist, so gelassen und so in dir ruhend?“ Der Mönch sprach:
„Wenn ich stehe, dann stehe ich; wenn ich gehe, dann gehe ich;
wenn ich sitze, dann sitze ich; wenn ich schlafe, dann schlafe ich;
wenn ich esse, dann esse ich; wenn ich trinke, dann trinke ich;
wenn ich schweige, dann schweige ich; wenn ich schaue, dann schaue ich;
wenn ich lese, dann lese ich; wenn ich arbeite, dann arbeite ich;
wenn ich bete, dann bete ich.“
Da fielen ihm die Fragenden ins Wort:
„Das tun wir doch auch. Aber was machst du noch, was ist das Geheimnis deines Mensch-seins?“
Der Mönch antwortete erneut in gleicher Weise.
Da warfen die Fragenden ein:
„Das wissen wir jetzt. Das tun wir alles auch!“
Der Mönch aber widersprach:
„Nein, eben das tut ihr nicht:
Wenn ihr steht, dann lauft ihr schon; wenn ihr geht, seid ihr schon angekommen;
wenn ihr sitzt, dann strebt ihr schon weiter;
wenn ihr schlaft, dann seid ihr schon beim Erwachen;
wenn ihr. esst, dann seid ihr schon fertig;
wenn ihr trinkt, dann kostet ihr nicht genug;
wenn ihr sprecht, dann antwortet ihr schon auf Einwände;
wenn ihr schweigt, dann seid ihr nicht gesammelt genug;
wenn ihr schaut, dann vergleicht ihr alles mit allem;
wenn ihr hört, überlegt ihr euch schon wieder Fragen;
wenn ihr lest, wollt ihr andauernd wissen;
wenn ihr arbeitet, dann sorgt ihr euch ängstlich;
wenn ihr betet, dann seid ihr von Gott weit weg.“
Überliefert. Quelle unbekannt