Sonnenfinsternis

Bei unserer nächsten Begegnung führt der Mann im weißen Kittel mich erneut in meinen safe room und leitet dort einen Bodyscan an. Ich selbst nehme mir gewöhnlich mehr Zeit dafür, aber ich habe geübt: Mittlerweile produziere ich vermutlich schon Alphawellen, sowie ich mich aus der tatsächlichen Welt verabschiede.

Nun soll ich in mich hinein fühlen: Wo in meinem Körper fühle ich mich besonders wohl?
Das geht dich einen Sch****dreck an!“
Hoppla! Gut, dass ich das nicht laut gesagt habe …

Ich einige mich mit mir darauf, dass er von der Sonne in meinem Bauch, die ich während der Meditation dort verortet habe, wissen darf.
Ja, ich weiß, welche Form sie hat.
Und ja, auch, welche Farbe!
Als ich sie berühren soll, muss ich kurz nachdenken: Sonnen sind sehr sehr heiß!
Aber es ist meine Sonne – ich werde mich nicht verbrennen.

Alles weitere erinnert sehr an die Anleitungen der weisen Meditierenden: Ich lasse das Licht meiner Sonne den ganzen Körper durchströmen.
In einem sicheren Raum funktioniert das ungleich besser: Mein Körper entspannt sich, während er sich gleichzeitig aufrichtet. Ich beginne zu lächeln.

Bist du irre? Der Typ sitzt direkt neben dir und du bist völlig weggetreten!“
Laut teile ich mit, dass ich Angst bekomme.
Der Versuch, mich in meinen sicheren Raum zurückzuführen scheitert: Ich bin angespannt wie eine Bogensehne und bitte, die Hypnose zu beenden.
So viel self care immerhin ist mir möglich.

Der Mann im weißen Kittel erklärt mir, dass er da ist, um meine Sicherheit während der Hypnose zu gewährleisten.
Ich meinerseits versuche zu erklären, dass ich das im Kopf völlig klar habe, dass aber jemand durchaus anderer Meinung ist.
Keine Ahnung, ob er das nachvollziehen kann …
Auf mich wirkt er eher, als nehme er das persönlich.

Egal. Normalerweise übe ich ja allein.
Und zunächst klappt das sehr gut! Dann jedoch beginnt die Sonne in meinem Bauch sich zu verändern. Sie wird schwarz und es gelingt mir nicht, sie wieder leuchten zu lassen.
Zunächst fühle ich mich an eine Sonnenfinsternis erinnert und ich versuche, zumindest den Strahlenkranz leuchten zu lassen. Später allerdings kommt meine Sonne mir eher wie ein schwarzes Loch vor. Beides scheinen mir mächtige Symbole zu sein.

Ein schwarzes Loch saugt alle Energie in sich hinein … und Energie ist genau das, was mir fehlt!
Ob ich sie wohl entfesseln kann?
Ich beschließe, offen zu sein, zu experimentieren … kann ich anstelle von Licht auch Kraft durch meinen Körper strömen lassen?
Ich kann! Aber das Ergebnis ist nicht angenehm. Ich fühle mich unwohl und habe einige Mühe, in meinen safe room und von da aus in die Wirklichkeit zurückzufinden.

Ich bitte eine liebe Freundin um ihren Rat. Wir kennen einander aus meiner ersten Therapie – also sozusagen schon ewig – sie ist heute Psychologin und setzt ebenfalls Hypnose ein.

Sie rät mir, meinen sicheren Raum noch weiter abzusichern. Das hatte ich intuitiv schon recht gut gelöst, die Details aber „geschlabbert“ als mit der Suche nach einem „Wohlfühl-Bereich“ und dessen Ausdehnung eine weitere Aufgabe hinzukam.

Die Details eines solchen sicheren Raumes faszinieren mich sehr.
Die ursprüngliche Anleitung lautete „was ist rechts von mir, was geradeaus und was links?“, „was kann ich hören, was riechen?“.
Da mein sicherer Raum tatsächlich existiert und mir sehr vertraut ist, kann ich ihn ganz detailliert vor meinem inneren Auge erstehen lassen, aber nicht jedes Detail ist gleich wichtig und es kommen – so wie im Falle des zartgelben Kissens – auch solche hinzu, die eine wichtige Rolle spielen, ohne tatsächlich existent zu sein. Andere – wie ein Kruzifix in der Zimmerecke – sind zwar da, haben aber eine ungute Wirkung, weswegen ich sie lieber nicht anschaue.
Bunte Perlen in der Nähe des Fensters, die das Sonnenlicht einfangen, kann ich nutzen, um Licht in die Dunkelheit zu bringen, eine Patchwork-Decke hilft mir, meinen Körper zu fühlen. Von anderen Details weiß ich noch nicht, wie sie mir helfen können.

Klingt wie eine Mischung aus „Monkey island“ und „Der Herr der Ringe“.
Scheint aber zu funktionieren.

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Veröffentlicht von

dieschattentaucherin

Schreibwütige Depressive auf ihrem Weg ins Sonnenlicht

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