… ist eine Yoga-Praxis, die auf die Bedürfnisse traumatisierter Menschen abgestimmt wurde.
Das interessiert mich natürlich! Ich habe mich über Jahre außerordentlich wohlgefühlt mit meinen Übungen, hatte immer den Eindruck sie tun mir gut … bis sie mir plötzlich nicht mehr gut taten.
Die weise Yogini hat mir geraten, zu pausieren und stattdessen zu gehen – was ich auch tue.
Aber lieber noch möchte in meine Yoga-Praxis in einer Form wieder aufnehmen, die zu meiner derzeitigen Verfassung passt.
Obwohl es eigentlich nur die Übungen sind, die mich interessieren, schaffe ich es nicht, die Einleitung zu überspringen. Dabei weiß ich längst, wie Traumata sich auf den Körper auswirken und dass Yoga dabei hilft, diese zu bewältigen! Schließlich bin ich auf Trauma-Yoga überhaupt nur gekommen, weil ich „Verkörperter Schrecken“* gelesen habe!
Und so erfahre ich tatsächlich nicht viel Neues, aber ich werde ganz zappelig vor Widerwillen, muss immer wieder Pausen machen, weil mir das Atmen schwerfällt.
Irgendwann wird die Stimme laut und deutlich:
„Das ist etwas wirklich Schlimmes! Das hast du nicht! DU stellst Dich nur an!“
(„Verkörperter Schrecken“ habe ich – wie alles, was triggern könnte – auf dem Klo gelesen, also regelmäßig, aber immer nur sehr kurze Passagen. „Trauma-Yoga“ auf dem Sofa, weil ich begierig war, mit den Übungen anzufangen.)
Ich quäle mich weiter und erfahre, dass „normale“ Yoga-Kurse traumatisierte Menschen häufig komplett überfordern, weil schon die Anweisung, etwas zu tun, zu viel sein kann, unterstützend gemeinte Berührungen unerträglich sind und sie – sofern sie überhaupt so weit kommen – bei eher dynamischen Formen wie Vinyasa-Yoga „einfach“ dissoziieren.
„Prima“ denke ich mir „da war ich in meinem Hatha Yoga Kurs unter der einfühlsamen Leitung der weisen Yogini ja schon richtig gut aufgehoben!“
War ich auch! Abgesehen von der Klitzekleinigkeit, dass ich all die Jahre lang nicht bemerkt habe, welche Teile meiner Muskulatur sich dabei niemals auch nur andeutungsweise entspannt haben.
Ich wusste nicht einmal, dass die angespannt waren. Schlimmer noch: Ich muss andere Menschen fragen, wie das bei ihnen eigentlich ist, weil ich keine Ahnung habe, wie sich bestimmte Muskelpartien normalerweise anfühlen.
Es ist die weise Hebamme, die mich auf den Gedanken bringt, dass ich bei meinem bisherigen Training möglicherweise nicht immer dabei war.
Na toll.

Endlich zu den Übungen vorgedrungen, bin ich … erschüttert, tief enttäuscht.
Ich hatte mir großartige Erkenntnisse erhofft, aber was mir hier geboten wird, ist … minimalistisch.
Im Vergleich dazu ist das bisherige Hatha Yoga für Senior:innen Hochleistungssport!
„Das ist kein Yoga! Das ist Pillepalle!“
Nun … ja.
Zunächst suche ich mein Heil darin, meine gewohnten Übungen um ein paar traumasensible Gimmicks zu erweitern, aber dann rufe ich mir in Erinnerung, dass ich bisher vermutlich dissoziiert habe und mir keinen Gefallen tue, wenn ich so weitermache.
Ich beschließe, einen Monat lang wirklich nur die Übungen aus dem Buch zu absolvieren.
Schadt ja nicht. Und dann guck ich, ob’s was genutzt hat.
Das fällt schwerer, als gedacht! Immer wieder habe ich die Idee, welche kleine Übung ich noch einbauen könnte. Oder ich könnte einmal pro Woche richtiges Yoga machen!
Dabei ist der Monat noch nicht einmal zur Hälfte vorbei …
Gleichzeitig empfinde ich die pillepalle Übungen als durchaus anstrengend – vermutlich, weil ich erst jetzt wirklich erforsche, was sie bewirken.
Ich lausche dem Knirschen, das entsteht, wenn ich meinen vornüber gebeugten Kopf vorsichtig hin und her rolle. Meine Schulterkreise holpern und rütteln auf eine Art und Weise, dass ich mich zu fragen beginne, ob es sich dabei wirklich um Kugelgelenke handeln kann. Am liebsten mag ich die Übung, bei der ich mich – mit gebeugten Knien wohlgemerkt! – einfach vornüber beuge: Die gehört für mich seit Jahren zur Trainingsroutine, aber jetzt erst geben meine Muskeln nach und ich bin völlig überrascht, wie anders sich das anfühlt.
Je weniger ich versuche, eine Übung „korrekt“ auszuführen, desto mehr kann ich mein Augenmerk darauf richten, was im „Rest“ meines Körpers passiert: Da entspannen sich plötzlich Muskeln, von denen ich nicht einmal wusste, dass ich sie habe!
Zum Teil hätte ich mir eine detailliertere Beschreibung der Übungen gewünscht; andererseits könnte ich mir vorstellen, dass Menschen, für die Yoga ein Wagnis ist, das sie erst einmal in Angriff nehmen müssen, von wortreichen Anleitungen eher abgeschreckt werden.
Außerdem – und das ist den Autor:innen außerordentlich wichtig – geht es nicht darum, die Übungen korrekt auszuführen, sondern Menschen zu ermutigen, mit ihnen zu experimentieren.
Für völlig Ungeübte allerdings wäre wenigstens ein Tip schön, wie sie aus der Rückenlage in die Sitzhaltung kommen, ohne sich weh zu tun.
Hin und wieder dauert es mich, dass das Bisschen mühsam aufgebauter Muskelkraft und Gelenkigkeit nun vermutlich wieder schwinden wird, aber als der Monat endlich überstanden ist und ich wieder richtig Yoga machen könnte, merke ich, dass ich beim Pillepalle bleiben mag.
Mehr noch: Ich mache mittlerweile Pausen zwischen den einzelnen Übungen und manchmal sogar zwischen einzelnen Übungsschritten: Weil ich zum Beispiel gemerkt habe, dass meine Schultermuskulatur zwischendurch zu „zappeln“ beginnt. Jetzt warte ich, bis das vorbei ist – früher wäre es mir gar nicht erst aufgefallen.
Klar: Wenn mich der Hafer sticht, mache ich all die schönen Übungen, die ich in den letzten Jahren erlernt habe! Aber ansonsten mag ich erst einmal in meinem Körper ankommen.
Der dritte und letzte Teil des Buches richtet sich an Therapeut:innen und Yoga-Lehrer:innen. Ich lese auch den: Weil es mir schwer fällt, Bücher beiseite zu legen, ohne sie zu Ende gelesen zu haben, aber auch, weil ich mir weitere hilfreiche Informationen erhoffe.
Und tatsächlich werde ich nicht enttäuscht.
Die Vorstellung, meine eigene Therapeutin, meine eigene Yoga-Lehrerin zu sein, hilft mir, zu tun, was mir ansonsten oft schwer fällt: Für mich zu sorgen.
Eine unangenehme oder schmerzhafte Übung einfach mal abzubrechen; nicht nur zur Kenntnis zu nehmen, dass mir kalt oder zu warm wird, sondern etwas daran zu ändern – und zwar sofort und nicht erst, wenn ich eine Übungssequenz komplett absolviert habe. Pausen zu machen!
Für mich sind das keine Selbstverständlichkeiten.
Genau genommen war für mich nichts von dem, was ich bei der Lektüre von Trauma-Yoga für mich entdeckt habe, eine Selbstverständlichkeit.
Ich würde mir sehr wünschen, dass das Buch für andere Betroffene ebenso hilfreich ist!
* „Verkörperter Schrecken“, Bessel van der Kolk, ISBN 978-3-944476-13-1