Turbulenzen

Ich habe damit gerechnet, eines Tages während der Physiotherapie die Fassung zu verlieren, aber als es dann passiert, bin ich dennoch überrascht.
Es gibt da eine Blockade auf Höhe meines Zwerchfelles, die mich daran hindert, frei zu atmen.
Ich glaube, dass der Mann mit den heilenden Händen das schon seit langer Zeit weiß, aber jetzt sieht er offenbar den Moment gekommen, diese zu lösen.
Und es hätte vielleicht auch funktioniert, wenn ich ihn einfach nur hätte machen lassen müssen: Ich kann allen, die das ängstigt, beruhigend zureden und wenn es ganz arg wird, selbst einen Schritt beiseite treten.
Aber ich soll gegen seine Hände einatmen, die auf Brustbein und Bauch liegen, beim Ausatmen ihrem Druck folgen! Ich soll konzentriert dabei sein. Das kann ich nicht!

Die Tränen laufen, ich beginne, nach Luft zu schnappen.
Ich weiß, dass er mir zu helfen versucht, aber das GEHT NICHT!
Ich versuche, mich zu fügen. Ich vertraue ihm, er weiß, was er tut.
Und frage mich im nächsten Moment, was ich hier eigentlich tue: Ich will das nicht!
Ich verfluche meine mangelnden Französischkenntnisse.
Immerhin gelingt es mir, mitzuteilen, dass mir lieber wäre, wenn er sich mit meinen Schultern beschäftigt.

Das tut er und er bleibt freundlich, gelassen und liebevoll. Aber er erklärt mir auch, dass es wichtig ist, diese Blockade zu lösen, und wir es weiter versuchen sollten. Damit hat er sicher Recht.
Dass die weise Yogini jahrelang vergeblich versucht hat, mir die Atemübungen des Pranayama schmackhaft zu machen, die Körper und Geist zusammenführen sollen, kann er ja nicht wissen. Nicht, dass ich mich nicht bemüht hätte, aber es war und blieb eine einzige Quälerei.
Vielleicht funktioniert es so herum – über die Einwirkung auf den Körper – besser, aber ich weiß nicht, wovor ich mehr Angst haben soll: Vor seinen Bemühungen, oder vor deren Gelingen …

Bei der Achtsamkeitspraxis leitet die weise Meditierende eine Mettā -Meditation an, bei der es um gute Wünsche für sich selbst, aber auch für andere geht.
Die mag ich sehr, deshalb lade ich zu Beginn alle ein, mir dabei Gesellschaft zu leisten.

Aglaia (Aglaia, Achtsamkeit mit Hindern … Aglaia) ist sofort da: links von mir wird es schwarz und ich spüre ihr Gewicht auf meiner Schulter. Ich bin mir nicht sicher, ob sie die Achtsamkeitsübungen mag, oder gekommen ist, um aufzupassen. Vielleicht auch beides.
Zunächst sprechen wir die guten Wünsche für uns selbst aus „Möge ich glücklich und zufrieden sein“ zum Beispiel. Die Vorstellung, glücklich und zufrieden sein zu dürfen, bringt jemanden völlig aus der Fassung: Ich beginne zu weinen. Eine Weile lasse ich einfach die Tränen laufen, dann macht Aglaia sich bemerkbar und obwohl ich bequem liege beginnt mein Nacken zu schmerzen. Links … natürlich …
Das ist, soweit ich sagen kann, eine ihrer Aufgaben: Wenn es zu beängstigend, zu schmerzlich wird, bekämpft sie Feuer mit Feuer und sorgt für körperliche Schmerzen, die mich wirkungsvoll ins Hier und Jetzt zurückholen. Wenn ich genug gesehen habe, ist sie es, die „das Licht ausmacht“.
Aglaia ist eine Beschützerin. Darüber hinaus weiß ich nicht viel über sie.

Die guten Wünsche für einen nahestehenden Menschen richte ich an eine liebe Freundin, der ich von Herzen wünsche, dass sie leicht und unbeschwert durchs Leben gehen, gesund sein möge.

Als nächstes bin ich eingeladen, meine Gedanken auf einen Menschen zu richten, der gerade eine schwere Zeit durchlebt. Als ich das versuche, meldet sich eine leise, aber penetrant sarkastische Stimme, die all das für großen Blödsinn hält. Das klingt nach T.
„T.“ steht zwar für „Täter:innen-Introjekt“, aber tatsächlich bin ich mir nicht sicher, wer oder was sie ist. Sie ist eine Stimme, die ich manchmal laut hören kann. T. steht für Härte gegen sich selbst, findet die Rücksichtnahme auf eigene Bedürfnisse schlicht albern und ist generell der Ansicht, dass ich mich „einfach nur anstelle“. Einmal habe ich in einer Meditation jemanden gesehen, der T. gewesen sein könnte, oder jedenfalls die selben Ansichten vertrat: Alles Blödsinn!
Ich versuche, meinen Blickwinkel zu ändern: Auch T. möchte glücklich und zufrieden sein, sich geborgen fühlen, leicht und unbeschwert durchs Leben gehen, gesund sein!
Das verblüfft sie so sehr, dass sie schweigt.

Zum Ende der Achtsamkeitspraxis suche ich einen Ort auf, an dem ich mich sicher fühle, mich erholen kann. Den safe room aus der Hypnose möchte ich nicht nutzen, also stelle ich mir die Terrasse vor, auf der ich bei gutem Wetter Yoga mache. Ruckzuck liegt der Kater laut schnurrend neben meiner rechten Schulter. Der Hund lässt sich zu meiner Linken nieder. Es ist Major, unser Herdenschutzhund. Oskar, mein verstorbener Seelenhund, findet seinen Platz an meinem rechten Bein. Er schläft tief und fest. Seine Präsenz ist so weiß, wie Aglaias schwarz ist.

Wir sind eingeladen, uns an eine schwierige (nicht zu schwierige) Situation zu erinnern, um sie (und uns selbst) gelassen und ohne Wertung zu betrachten. Dann fragen wir uns, was wir in diesem Moment gebraucht, was wir uns gewünscht hätten.

Ich denke an meine Panikattacke bei der Physiotherapie, komme dann aber nicht recht weiter. Was hätte ich gebraucht? Was hätte geholfen?

Und sehe eine Frau. Sie nähert sich von links, hat in etwa mein Alter, gehört aber einer anderen Generation an: Ihre Haare sind ordentlich gelegt. Kräftig sieht sie aus,resolut, zupackend. Und sie streckt jemandem die Zunge heraus! Die freche Frau trägt eine orchideenfarbene, metallisch funkelnde Steppjacke. Ihr folgen weitere Frauen, die ähnlich gekleidet sind: Es wirkt, als würde sie eine Demonstration anführen.

„Genug gesehen!“ findet Aglaia und breitet eine schwarze Schwinge aus.

Aber ich kann das Funkeln weiterhin sehen: Es legt sich wie eine Decke über mich.

Selbstversuche

In meinen Zwanzigern habe ich einmal, in einer Art Varieté-Zelt, dem Auftritt eines Hypnotiseurs beigewohnt. Ich habe mich sogar gemeldet, als Freiwillige für die Bühne gesucht wurden!
Heute erinnere ich mich nur noch, dass ich, als er „Ihre Arme werden ganz leicht!“ gesagt hat, dachte „Is klar! Jetzt heben wir alle die Arme hoch …“ und einigermaßen befremdet war, als meine Arme tatsächlich in die Höhe strebten.
Beim „in den Pfirsich beißen“ allerdings bin ich rausgeflogen: Unverkennbar handelte es sich bei dem „Pfirsich“ um eine Zitrone!
So wurden nach und nach die Kandidat:innen aussortiert bis nur noch eine einzige Frau übrigblieb, die – und das hat mich damals schon beeindruckt! – schließlich auf zwei Stühlen lag, die Schultern auf dem einen, die Unterschenkel auf dem anderen, während der Hypnotiseur mit Anlauf auf ihren Bauch sprang. Sie verzog keine Miene, lag da wie ein Brett

Als ich mich um einen Hypnose-Termin in der Schmerzabteilung der Universitätsklinik bemühe, ist mir bewusst, dass mich jetzt garantiert kein Bühnenzauber erwartet, aber ein bisschen ängstlich bin ich schon! Was, wenn ich in der Hypnose die peinlichsten Geschichten meines Lebens erzähle? Oder irgendetwas Hochnotpeinliches tue?
Der Arzt (immer dran denken: er ist Arzt, kein Entertainer!) beruhigt mich: Nicht er wird mich hypnotisieren, sondern ich werde das selbst tun. Er wird mir nur dabei helfen, das zu lernen!
So weit verstehe ich ihn, aber dann gerate ich ins Schwimmen:
Entgegen meiner Hoffnung spricht er ausschließlich Französisch und ich habe ihm gesagt, dass ich ihm folgen könne sofern er langsam spräche.
Nun … wenn das langsam ist, möchte ich schnell nicht erleben …

Es passiert mir nicht zum ersten Mal, dass mir in besagter Klinik versichert wird: Doch, doch! Keine Sorge! Die Spezialist:innen sprächen Deutsch oder zumindest Englisch!
Beim ersten Mal hab ich das tatsächlich geglaubt.
Da bin ich auf Alzheimer getestet worden. Wer den Test kennt, weiß, dass es dabei unter anderem darum geht, sich Wörter zu merken und Gegenstände und Zusammenhänge korrekt benennen zu können. Natürlich weiß ich, wie das Tier mit dem Horn auf der Nase heißt! Nur nicht auf Französisch … Und klar: Was eine Armbanduhr und ein Lineal gemeinsam haben, ist das Messen von Einheiten! Sofern bekannt ist, was „Armbanduhr“, „Lineal“ und „messen“ auf Französisch heißt … Wir gestikulieren was das Zeug hält! Ich fokussiere mich auf den Umstand, dass die schiere Absurdität der Situation durchaus einen gewissen Unterhaltungswert hat, bin anschließend aber so erschöpft, dass ich kaum noch gehen kann.
Die gute Nachricht: Alzheimer habe ich nicht. Und ich sei gut organisiert, heißt es. Immerhin!

Beim zweiten Termin zeigt sich, dass ich die Aufgaben, die ich bis dahin hätte erledigen sollen, nicht vollständig verstanden habe. Also wird mir ein weiteres Mal – diesmal sehr langsam – erklärt, was ich tun soll.
Und: Zu meiner großen Erleichterung spricht der Arzt dann doch ein bisschen Englisch!

Heute lerne ich stattdessen, mir einen sicheren Raum vorzustellen.
Das kenne ich schon und habe, da der betreffende Raum tatsächlich existiert und ich ihn sehr gut kenne, keinerlei Schwierigkeiten, ihn vor meinem inneren Auge erstehen zu lassen. Und natürlich weiß ich, welche Geräusche ich höre und wie es dort riecht!
Neu ist, dass es explizit mein Körper sein soll, der dort in Sicherheit ist. Der Arzt führt mich durch eine Art Bodyscan (siehe: Wellness mit Schattenseiten) in meinem safe room.
Ich habe kein Problem, ihm zu folgen, merke aber bei dieser Gelegenheit, wie schwer es mir fällt, die Augen tatsächlich fest zu schließen. Ein winziger Spalt bleibt immer offen … nur für den Fall.
Und ich finde es extrem gruselig, mit geschlossenen Augen neben einem fremden Mann zu sitzen, der mir zuflüstert, wie sicher mein Körper gerade ist!
Das ist insofern nicht so schlimm, als ich ab jetzt alleine üben soll: jeden Tag 10 Minuten.


Zunächst kommt es hin und wieder vor, dass dabei plötzlich alles schwarz wird. Da ich diese Schwärze schon aus der Meditation kenne, macht sie mir keine Angst – aber ich weiß nicht recht, was ich tun soll: Hineinsehen und gucken, was passiert? Oder mich weiter auf meinen sicheren Raum konzentrieren?
Ich entscheide mich für Letzteres, aber es gelingt mir nicht, das „Licht wieder einzuschalten“.
Am Ende der Hypnose soll ich ein Geschenk aus meinem sicheren Raum mitnehmen und sorgsam verwahren. Ich stelle mir mein Vertiko vor (ein Familienerbstück), in welchem eine Holzschatulle mit Schnitzereien steht, die meiner Mutter gehört hat. Dort verstaue ich mein Geschenk.
Bei einer Gelegenheit ist das Vertiko mit Schwärze angefüllt und die Schatulle ist voll von etwas, das ich ganz sicher nicht sehen möchte. Es sieht aus wie Blut.
Ich werfe mein Geschenk hinein und schließe eilig die Tür.
Ein anderes Mal springt mich etwas an, als ich das Vertiko öffne.
Ich werde mir einen anderen Aufbewahrungsort suchen müssen – offenbar haben Familienerbstücke so ihre Tücken …

Der Arzt hat mir gesagt, dass es nicht jeden Tag gleich gut klappen wird.
Aber mit zunehmender Übung merke ich, dass ich mich mehr und mehr entspanne, kurz davor bin, einzuschlafen.
Gleichzeitig habe ich den Eindruck, dass ich weniger dazu neige meinen Kopf ein- und die Schultern hochzuziehen. Das tue ich sonst sogar im Schlaf: Mein Kopf ruht nie ganz entspannt auf dem Kissen, ein Ohr ist immer gespitzt, so, als könnte ich jeden Moment angegriffen werden. Kein Wunder, dass ich Verspannungen habe! Die schmerzen, hab ich mal gehört, am meisten, wenn sie sich lösen. Kommt mir auch so vor!
Und selbst als die Schmerzen allmählich nachlassen fühle ich mich immer noch, als hätte ich mich körperlich völlig verausgabt.
Dennoch: Ich genieße das Gefühl, mit dem mein Kopf ganz schwer in ein Kissen sinkt!
In meinem safe room ist es (warum auch immer) zartgelb und herrlich weich. Ich nutze die täglichen 10 Minuten, um meinen Kopf wieder und wieder hineinsinken zu lassen, den Nacken zu strecken und die Schultern zu entspannen.
Mein Körper ist hier sicher!

Volles Programm

Der Frühling hat es in sich!

Die weise Hebamme unterstützt mich weiter darin, meine Träume zu interpretieren (siehe: Traumfrau), und es ist nicht ungewöhnlich, dass eine solche Sitzung drei Tage dauert. Jedenfalls für mich: Am Vortag übersetze ich Träume und/oder Überlegungen dazu ins Französische und bekomme erste Angstsymptome. Am Tag X selbst bin ich vor dem Termin aufgeregt bis panisch und danach fix und fertig: Dann muss ich erst einmal ins Bett. Am Tag darauf fühle ich mich, als hätte ich eine Mischung aus Ironwoman und Everest-Besteigung hinter mir.

Die Weise Meditierende (siehe: Drei weise Frauen) bietet einen weiteren Workshop an und ich stelle fest, dass ich diesmal, obwohl der Inhalt sich nicht allzu sehr verändert hat, die Meditation ganz anders erlebe, ganz neue Erkenntnisse daraus ziehe. Überflüssig zu erwähnen, dass ich am Tag nach dem mehrstündigen Auftakt, das Bett gehütet habe …

Meine Yoga-Praxis habe ich, nach einer Phase, in welcher sie mir nicht gut getan hat, auf traumasensibles Yoga umgestellt. Damit bin ich sehr zufrieden!
Obwohl ich seit über sechs Jahren mehr oder weniger stets die selben Übungen gemacht und sie immer als wohltuend und entspannend empfunden hatte, habe ich mich in der letzten Zeit gefühlt, als sei mein Körper anschließend sehr aufgeregt, als stünde ich unter Strom. Angenehm war das nicht!
Die traumasensiblen Übungen sind noch kleinteiliger als die, die ich bisher kannte, wirken wie Vorbereitungen auf das, was mir eh schon wie Yoga für Alte und Gebrechliche vorgekommen war. Und sie tun mir gut!
Die Lektüre des entsprechenden Buches allerdings hat mich an meine Grenzen gebracht – dazu ein andermal mehr.

Last not least lerne ich, mich selbst zu hypnotisieren!
Es war – und damit schließt sich sozusagen der Kreis – die weise Hebamme, die mir den Tip gegeben hat, dass die Schmerzabteilung der nächstgelegenen Universitätsklinik Hypnose anbietet.
An dieser Stelle kann ich – trotz aller Bemühungen um eine positive Weltsicht – ein gewisses Maß an Frust und Verbitterung nicht leugnen: Dass ich unter chronischen Schmerzen leide, ist durchaus keine Neuigkeit und ich hatte in besagter Klinik schon mehr als einen Termin!
Warum um alles in der Welt hat mich vorher niemand an diese Abteilung verwiesen?
Aber sei’s drum: Jetzt jedenfalls habe ich den Fuß in der Tür!

Bleibt nur noch, meine diversen Termine so zu koordinieren, dass ich mich vom letzten halbwegs erholen kann, bevor ich Angst vor dem nächsten bekomme …

Flöhe hüten

Die letzten Tage waren alles andere als einfach.
Die Ataxie nach einer entzückenden Romanfigur „Laufente Lisbeth“ zu nennen, kommt meiner Neigung, die Dinge möglichst von der heiteren Seite zu nehmen, entgegen, aber ganz so lustig, wie es klingt, ist es nicht, wenn man tatsächlich Bewegungs- und Koordinationsstörungen hat.
Ich muss höllisch aufpassen, nicht zu stürzen, hebe Tassen und Gläser vorsichtshalber mit beiden Händen zum Mund und übe mich in Gelassenheit, wenn mir der Käse zum dritten Mal vom Brot fällt.

Meine Anteile beginnen sich zu zeigen – nicht nur, wenn sie in der Meditation dazu eingeladen sind, sondern bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit.
Natürlich materialisieren die sich nicht einfach. Und ich höre auch keine Stimmen … jedenfalls nicht wirklich.
Eigentlich – vermute ich jedenfalls – wissen wir alle, wie das ist : „Ich habe auch eine sehr fürsorgliche Seite“, „ich habe eine kreative Ader“ und ähnliche Beschreibungen klingen ja – ebenso wie die „zwei Seelen, ach!“ – nicht unvertraut. Und wir erinnern uns manchmal so lebhaft an die Worte einer Lehrerin oder unseres Großvaters, dass wir sie regelrecht hören können.
Wer alt genug ist, sich noch an das „Lenor-Gewissen“ zu erinnern, weiß, mit welcher Selbstverständlichkeit dieses Bild verstanden wurde und wird.
Meine Anteile scheinen halt … sagen wir … besonders eigenständig unterwegs zu sein.

Nachdem ich bereits verstanden habe, dass, wenn „produktiv“ und „kreativ“ sich verabredet haben, die Ärmel hochzukrempeln und gemeinsam ein Chaos in der Küche zu veranstalten, jemand, dem genau das nicht geheuer ist, sich nicht anders zu helfen weiß, als meinen Blutdruck in die Höhe zu jagen, bemühe ich mich, Ausgleich zu schaffen.
Wir nehmen mal eines der fünf Projekte in Angriff, wir machen das ganz in Ruhe und wir hören dabei einen Krimi (etwas vorgelesen bekommen mögen alle, Krimis die meisten und „das Kind in mir will achtsam morden“ passt einfach wie die Faust auf’s Auge). Das funktioniert.

Aber es ist auch wahnsinnig anstrengend!
Ich kann schließlich nicht jedes Mal, wenn jemandem – Entschuldigung! – ein Pups quer sitzt, eine halbe Stunde lang meditieren, ich muss das irgendwie on the fly koordiniert kriegen.
Und es sind ja nicht nur diese drei: Nach dem Motto „Wehe wenn sie losgelassen“ machen sich potentielle Anteile, Erinnerungen und Glaubenssätze in einem kunterbunten Durcheinander bemerkbar. Zuweilen ist es, als wären die Teile mehrerer Puzzles in eine Schachtel geraten.
Kein Wunder eigentlich, dass in solchen Momenten die (Fein)motorik leidet – das stockt und ruckelt dann wie bei einem Fuhrwerk, in dem jedes Pferd in eine andere Richtung losrennen will.

Immerhin: Es geht voran!
Mit dem Stichwort „Glaubenssatz“ ging es mir sehr ähnlich, wie mit „Dissoziation“ auch: Die Botschaft hörte ich wohl, allein sie kam nicht an … Da musste erst der erwähnte Krimi kommen, der die Information quasi nebenbei einsickern ließ:
Glaubenssätze entwickeln wir in der frühen Kindheit, wenn wir noch ganz und gar abhängig von unseren Eltern sind. Sie erklären uns entweder, warum unsere Bedürfnisse nicht erfüllt wurden („ich bin schlecht, ich habe das nicht verdient“), oder aber, was wir tun müssen, um vor den Augen unserer Eltern zu bestehen.
Da wir diese Sätze tief verinnerlicht haben, handeln wir danach, ohne uns dessen bewusst zu sein.

Neulich hab ich beim Anblick der Wasserflasche auf dem Küchentisch bemerkt, wie durstig ich bin, gleichzeitig aber gesehen, dass die Spülmaschine zu Ende gelaufen war. Und wie selbstverständlich wollte ich diese erst einmal ausräumen, bevor ich etwas trinke.
„Was zur Hölle? Ich hab Durst! Was macht es schon, wenn ich zuerst etwas trinke?“

Ab diesem Moment habe ich angefangen, darauf zu achten, wie ich mit meinen eigenen Bedürfnissen umgehe. Und tatsächlich: Bevor ich mir eines erfülle, erledige ich stets erst irgend etwas anderes.
Kurz darauf hab ich die Worte dann auch klar und deutlich hören können: „Nicht immer alles sofort!“.
Wieder in einer Situation, in der ich Durst hatte. Diesmal allerdings angesichts einer gut gekühlten Flasche köstlichen Wasserkefirs.
Der musste – zugegeben – sehr vorsichtig geöffnet werden, ergo „Nicht immer alles sofort – du kannst Wasser trinken, wenn du jetzt Durst hast!“.
Ich war so empört, dass ich laut geantwortet habe: „Lass das doch mal! Wenn ich verdammt nochmal jetzt Wasserkefir trinken will, dann darf ich das auch!“.

Gesagt, getan.
Okay … die Flasche zu öffnen, war ein riskantes Unterfangen und ist schiefgegangen – gegen Wasserkefir ist selbst gut geschüttelter Champagner ein Niemand. Was sich nicht in der Küche verteilt hat, war dann aber wirklich lecker!
Explosiver noch war die Reaktion meines Körpers: Ich hatte das Gefühl darin regelrecht umhergeschleudert zu werden. Konfrontationskurs scheint als Taktik nur semi-geeignet zu sein …

Also hab ich zu überlegen begonnen, wann dieser Satz hilfreich für mich ist.
Er macht es mir leicht, zwischen den Mahlzeiten nicht zu naschen – darum mag der eine oder die andere mich durchaus beneiden.
Er bewahrt mich vor Spontankäufen: Bei teuren Wünschen kriege ich es mitunter fertig, über Jahre abzuwarten, ob ich etwas wirklich haben möchte. Manche Begehrlichkeit gerät darüber sicher in Vergessenheit, aber mit den Dingen, die ich letztlich tatsächlich kaufe, bin ich dann meist auch hochzufrieden.
Hier habe ich sozusagen Verhandlungsspielraum: Grundbedürfnisse werden zukünftig unverzüglich erfüllt, bei kostspieligen Wünschen soll und darf der Satz geschätzter Ratgeber bleiben.

Was ich gegen das innerliche Zittern, das Gefühl des umhergeschleudert Werdens tun kann, lehrt mich die weise Meditierende: Körperübungen wie Schütteln oder Klopfen geben mir das Gefühl zurück, in meine Haut hineinzupassen.

Dann allerdings, als ich gerade zu hoffen beginne, mit meinen Bemühungen auf einem richtig guten Weg zu sein, meldet sich ein Teil von mir zu Wort, den ich zwar nur zu gut kenne, aber so wenig leiden kann, dass ich ihn beim Einrichten meines Gasthauses sogar dann noch ignoriert habe, als er höchstpersönlich erschienen ist. Soviel zum Thema „ich mag meine Anteile willkommen heißen“ …

Es ist der Teil, der mich undiszipliniert und faul findet. Schon immer fand. Der den ganzen Quatsch mit Depression und Angststörung nie geglaubt hat. Der sich ganz sicher ist, dass ich mir meine Schmerzen lediglich einbilde, die neurologischen Erscheinungen simuliere. Und jetzt auch noch Persönlichkeitsanteile: Is klar!
Dieser Teil findet mich nicht undiszipliniert und faul, er weiß das! Und brüllt mit diesem Wissen alles nieder, bis ich keinen klaren Gedanken mehr fassen kann.


Bei meinem nächsten Gespräch mit der weisen Hebamme breche ich in Tränen aus, kaum dass ich „Bonjour“ gesagt habe.
Ich bemühe mich, hervorzuwürgen, was mir widerfahren ist. Es ist mühselig und frustrierend, das nicht in meiner Muttersprache tun zu können – stattdessen wechseln wir ständig zwischen Französisch und Englisch, je nachdem, wo wir uns gerade beide des Vokabulars sicher sind – aber es verschafft mir auch ein wenig Distanz, so dass es mir leichter fällt, mich zu beruhigen.
Auch der Umstand, dass sie mir ganz und gar unaufgeregt und entspannt zuhört, tut mir gut.

Dafür, dass ich in der Meditation Dinge sehe, meint sie, seien zwei Gründe denkbar: Es könne sich um Erinnerungen aus meiner Familiengeschichte handeln, oder aber – ähnlich wie in Träumen – um Botschaften meines Unterbewusstseins.
Bezüglich der Stimme, die mir erklärt, undiszipliniert und faul zu sein, schlägt sie vor, diese nicht als Teil meiner selbst zu sehen, sondern als Teil meiner Erkrankung, eine Energie, die – einstmals überlebensnotwendig – aus der Vergangenheit bis in meine Gegenwart hinein gewirkt hat, und nun ihre eigene Daseinsberechtigung, ihr eigenes Überleben gefährdet sieht. Und deswegen mit aller Gewalt um sich schlägt.

Auch dieser Teil ist zu jemandes Schutz entstanden, denke ich mir, wenn auch nicht zu meinem: Scheint, ich habe ihn geerbt …
Und ich bin mir durchaus nicht sicher, ob dieses Erbe mir ausschließlich zum Nachteil gereicht: Es könnte ja durchaus dieser Anteil sein, der mich in Krisensituationen völlig gelassen bleiben lässt, der mich befähigt, durchzuziehen, was ich einmal angefangen habe. Der Teil von mir, den andere „mutig“ finden, wenn ich nur tue, was mir unvermeidbar scheint.

Ich sollte ihm danken, finde ich.
Ich erweitere mein Gasthaus um eine Veranda, auf welcher eine alte Dame auf einem Schaukelstuhl sitzend und Erbsen pulend die Abendsonne genießen kann – yup! Rita Mae Brown lässt grüßen! „Jacke wie Hose“ um genau zu sein …
Vielleicht kann dieser Teil von mir sich nach und nach mit der Idee anfreunden, in den Ruhestand zu gehen. Im Fall der Fälle kann er ja immer noch die Ritterrüstung aus dem Schrank holen.

Versuch’s doch mal mit Yoga!

Dieser Text ist einer lieben Freundin gewidmet, der Yoga schon so oft empfohlen wurde, dass sich ihr Nackenfell bereits bei „Yo …“ zu sträuben beginnt.

„Versuch’s doch mal mit Yoga!“ kommt gleich nach „Ausdauersport ist gut gegen Depressionen!“ und „sorg mal ein bisschen für dich, sei nett zu dir selbst: wie wäre es mit einem schönen, duftenden Schaumbad?“ …
Ausdauersport, vulgo „Joggen“ – das habe ich bestimmt mal erzählt – ist bei mir schon daran gescheitert, dass ich beim Anziehen der Socken in ein Dimensionstor geraten bin: Eine halbe Stunde nach dem Entschluss, mich anzuziehen, war Socke Nummer eins immer noch nicht am Fuß. Das Schicksal von Socke Nummer zwei liegt bis heute im Dunklen …

Aber die Nummer mit dem Schaumbad hab ich ausprobiert!
Das volle Programm: Brühheißes Wasser, reichlich duftender Schaum, Kerzen auf dem Wannenrand, eine Handvoll auf Vorrat gedrehter Zigaretten (da hab ich noch geraucht), ein heiterer Roman (Bridget Jones – damals bin ich wirklich vor nichts zurückgeschreckt) und – aber echt nur ganz ausnahmsweise! – ein Fingerbreit Whisky (Sekt war aus).
Hat’s nicht gebracht.

In die Sonne, oder eben in die Badewanne gehen, Sport treiben etc. ist natürlich auch für solche Menschen gut, die zu Depressionen und Ängsten neigen. Mit der Betonung auf neigen: Während einer Depression kann es schon eine erhebliche sportliche Herausforderung sein, das Bett zu verlassen, sich anzuziehen und sich einigermaßen regelmäßig zu waschen. Und tatsächlich gibt es Formen der Depression, bei denen all das nicht hilft. Wirklich nicht. Überhaupt gar kein Bisschen. Trotzdem ständig dazu aufgefordert zu werden, womöglich mit vorwurfsvollem Unterton („wenn du das nicht machen willst, bist du ja schon irgendwie selbst schuld …“) macht es nicht besser.


Warum ich dennoch Yoga praktiziere

Vor einigen Jahren habe ich begonnen, mich mit dem Thema „Achtsamkeit“ bzw. „MBCT – Mindfulness Based Cognitive Therapy (achtsamkeitsbasierte Verhaltenstherapie) zu befassen, wozu ein allmorgendlicher Bodyscan gehörte.

Rückblickend denke ich, zumindest für den Bodyscan war es noch zu früh: Ich habe die lebhafte Reaktion meines Körpers auf meine Versuche, seiner gewahr zu sein, zwar zur Kenntnis genommen, konnte aber nichts damit anfangen.
Zur Unterstützung der Übungen wurde Yoga empfohlen, genau gesagt: bestimmte Yoga Übungen.

Als kurz darauf im Dorf ein Yoga-Kurs angeboten wurde, hab ich nicht lange gefackelt.
Nicht, weil ich das unbedingt gewollt hätte. Ich fand, das sei Kismet: Der maximal unwahrscheinliche Umstand, dass irgendwo im Nirgendwo just dann ein Yogakurs angeboten wurde, als ich darüber nachdachte, einen zu besuchen. Sowas verpflichtet …
Und das Universum war mit mir: Wie der Zufall es wollte – aber das ist mir erst sehr viel später klargeworden – wurden dort genau die Übungen unterrichtet, die ich brauchte.
Heute weiß ich, dass es sich bei dem, was ich gelernt habe und immer noch lerne, um traditionelles und sehr kleinschrittig aufgebautes Hatha-Yoga handelt, damals war mir das – ehrlich gesagt – vollkommen schnuppe, da hatte ich ganz andere Sorgen.

Den Hof zu verlassen um ganz allein unter lauter fremden Menschen, deren Sprache ich nicht beherrschte, an ganz egal was teilzunehmen, hat mir anfangs solche Angst eingejagt, dass ich mit nichts anderem beschäftigt war. Trotzdem war es nicht einfach Erleichterung, was ich empfunden habe, wenn ich das Training wieder einmal überstanden hatte, sondern ich habe mich leicht und fröhlich gefühlt. Irgendetwas hat Yoga bewirkt, soviel war klar.
Und irgendetwas ist auch passiert, wenn ich das Training – zum Beispiel während der Schulferien, wenn der Kurs nicht stattfand – „geschlabbert“ habe. Dann bin ich regelmäßig in die Depression abgerutscht.
Gleichwohl war nicht alles eitel Sonnenschein, nicht alle Erfahrungen leicht und fröhlich: Yoga kann alte Emotionen berühren und aktivieren, die wir zwar aus unserem Bewusstsein eliminiert haben, die der Körper aber dennoch in Erinnerung behält. Die Tränenausbrüche und Panikattacken, die das Training auf diese Weise auszulösen vermag, fühlen sich höchst gegenwärtig an – ganz egal, wie alt die Erinnerungen auch sein mögen.
Bei mir war es insbesondere eine bestimmte Übung, die aus just diesem Grunde bis heute die „tränenreiche Torsion“ heißt – auch wenn sie unterdessen zu meinen liebsten Routinen zählt.

Anfangs also war Yoga ein Mittel im Kampf gegen meine Angst, später dann gegen die Depression. Als ich zunehmend unter Schmerzen zu leiden begann, habe ich die Übungen genutzt, um diese ertragen zu lernen: Selbst wenn es mir die Tränen in die Augen getrieben hat – es war immer noch möglich, zu atmen und mich zu entspannen, es gab immer noch etwas jenseits der Schmerzen.
Mittlerweile sind die Übungen fester Bestandteil meines Alltags und seit ich die passenden Medikamente bekomme, mache ich tatsächlich auch Fortschritte.

Mit den anmutigen Flows, die ich – zugegeben – hin und wieder selbst gerne bei Youtube bestaune, hat mein Tun dennoch nicht mehr gemeinsam, als dass beides auf einer Matte stattfindet.
Die Arbeit – die weise Yogini spricht tatsächlich von travail – findet in der Haupsache im Körper statt, mit viel hinein atmen, sich Millimeter für Millimeter in eine Haltung hinein entspannen, in sich hinein fühlen. Wenn die angestrebte posture dabei zunächst nur angedeutet wird, ist auch das in Ordnung und falls selbst das nicht möglich sein sollte, kann die Übung immer noch mental ausgeführt werden.
Gelegentlich ist mir schon der Verdacht gekommen, dass das der Grund ist, warum beim Training die Augen geschlossen werden: Damit ich nicht sehen muss, dass die Kniekehlen meiner gefühlt durchgestreckten Beine immer noch eine Handbreit vom Boden entfernt sind …
Andererseits schaffe ich es mittlerweile, Positionen zu halten, aus denen ich anfangs wie ein nasser Sack herausgeplumpst bin.

Als ich nun erfahre, dass Hatha-Yoga insbesondere in der Trauma-Therapie empfohlen wird, bitte ich die weise Yogini, mich bei meinen Bemühungen diesbezüglich zu unterstützen.
Außerdem hat mich dann doch ein gewisser Ehrgeiz gepackt: Ich hab versucht, mir selbst ein paar weitere Asanas beizubringen und möchte, dass sie draufschaut, ob ich alles richtig mache.

Ihr Gesichtsausdruck, als ich erzähle, dass ich Youtube-Videos anschaue, um mehr über Yoga zu lernen, ist schwer zu deuten, entspannt sich aber, bilde ich mir ein, als ich versichere, die Flows wirklich nur anzugucken
Sie hört sich geduldig an, was ich an Anregungen im Internet und in meinem dicken Yoga-Buch gefunden habe und lässt mich mehr als einmal wissen „Wenn du das Prinzip verstanden hast, kannst du das so machen! Dann kannst du alles so machen, wie du möchtest!“ …
Dann fragt sie, wo genau ich eigentlich die meisten Schmerzen habe und bittet mich, ihr zwei ganz unspektakuläre Übungen, die zu den absoluten Basics gehören, einmal vorzuführen.
Was es bedeutet, Wirbel für Wirbel abzurollen, habe ich schon im Schulsport gelernt – heute lerne ich, wie es ist, wenn jemand guckt, ob wirklich jeder einzelne Wirbel tut, was er soll …
Und siehe da: Das sind nicht nur die Stellen, die wehtun, sondern auch die, die ich beim Bodyscan nicht erreichen kann. Die Platte an der Stelle, wo mein Dekolletee sein sollte zum Beispiel.
Da rollt genau gar nix …

Während ich mich mit vor Anstrengung zitternden Muskeln bemühe, meine Rückenwirbel durchzuzählen, lösen sich meine Ambitionen, grazile Asanas einzunehmen, dezent in Luft auf: Ich möchte, dass die weise Yogini nach und nach alles, was ich bereits zu können geglaubt habe, noch einmal genau in Augenschein nimmt.

Der Moment der Wahrheit kommt, als sie mich fragt, ob ich auch Pranayama, die Atemübungen, praktiziere.
Ähm … ja … also … theoretisch schon! Ich nehme mir täglich vor, sie regelmäßig zu üben! Also: Ab morgen …
Tatsache ist: Ich hab enorme innere Widerstände!
Was die weise Yogini nicht überrascht: Traumata manifestieren sich im Körper und können daher die Atemübungen extrem erschweren.
Aber, sagt sie: Ohne Pranayama ist es kein Yoga!
Wir einigen uns darauf, dass ich in winzig kleinen Schritten noch einmal ganz von vorn beginnen werde.
Ich komme dieser Verpflichtung nach, weil ich weiß, sie wird fragen beim nächsten Mal … aber rechte Begeisterung will sich nicht einstellen. Ich tröste mich mit dem Gedanken, dass es „Übung“ heißt, weil man es üben soll – nicht weil man es gleich kann.

Außerdem, bringt sie mir schonend bei, sind auch Asanas und Pranayama lediglich ein kleiner Teil dessen, was Yoga umfasst. Ich bin fasziniert – auch und vor allem, weil sie zu leben scheint, wovon sie da erzählt – und mag mehr darüber lernen.
Ganz gleich, wie weit ich auf diesem Weg kommen mag: Ich bin sicher, ich gehe in die richtige Richtung!

Also doch „versuch’s mal mit Yoga!“?

Ich muss zugeben, dass ich an diesem Punkt wirklich an mich halten muss!
Mittlerweile nutze ich Yoga weniger, um Schmerzen ertragen zu lernen, sondern um sie zu lindern. Ich kann beginnende Depressionen einfangen, mich selbst zur Ruhe bringen und beginne, mich in meinem Körper mehr und mehr zu Hause zu fühlen.
Natürlich gönne und wünsche ich das auch anderen!

Ich glaube außerdem fest, dass, wer bereits über eine gewisse Routine verfügt, es schafft, sich zur Not vom Sofa auf die Matte plumpsen zu lassen, um da wenigstens den „toten Mann“ zu machen. Wenn’s gut läuft vielleicht auch noch ein, zwei andere Übungen, bei denen man bloß daliegt und atmet. Und ja: Schon das hilft!

Ich muss allerdings auch einräumen, dass ich erst einmal für geraume Zeit eine Art Eremitinnen-Dasein führen musste, bevor an „Yoga-Kurs“ überhaupt zu denken war.
Und ja: Ich hab ein Riesenglück gehabt, genau diesen Kurs bei genau dieser Lehrerin zu finden! Trotzdem musste ich mehrere Jahre daran teilnehmen, bevor ich die Wirkung so recht genießen konnte.

Jahaha, es fällt mir schwer! Es fällt mir schwer, weil ich ja helfen will!
Aber Tatsache ist, dass ich nicht nur den richtigen Yoga-Kurs gebraucht habe, nicht nur die richtige Yoga-Lehrerin, sondern auch den richtigen Moment. Den Moment, in welchem ich bereit war!

Diesen Moment kann ich jedem anderen Menschen nur wünschen!
Verordnen kann ich ihn nicht …

Zauberlehrling

Diesmal beginnt der Achtsamkeitsworkshop mit einer kurzen Übung, die uns helfen soll, erst einmal dort „anzukommen“. Das passt mit gut: Ich hab heute wieder einmal viel Zeit verloren und würde jetzt gerne wirklich dabei sein.
Als das „Ankommen“ allerdings beginnt, mir ungewöhnlich lang vorzukommen, muss ich feststellen, dass ich keineswegs dabei bin. Das Internet hat wieder mal den Löffel rübergereicht …
Also aus der Kuscheldecke pellen, von der Yogamatte aufrappeln, den Küchenstuhl erklimmen und die Technik erneut in Betrieb nehmen.
Auf dieser Übung wird für mich heute der Schwerpunkt des Workshops liegen.

Danach ist eine Meditation geplant, die das, was wir bisher geübt haben, kombiniert … spannende Sache!
Der Satz, den ich mir für Mettā, die liebende Güte, ausgesucht habe, lautet „Mögest Du leicht und freudig durchs Leben gehen!“.
Das innere Bild dazu ist der Moment, wenn ich, nachdem wir Holz gemacht haben, zum Haus zurückgehe: Holz machen wir nur bei gutem Wetter, also scheint die Sonne. Holz machen ist Knochenarbeit: Ich bin rechtschaffen müde, Arme und Rücken tun mir weh. Ich freu mich auf ein kaltes Bier und eine heiße Dusche! Aber zunächst sieht der Hund seinen Moment gekommen! Er hat uns selbstverständlich begleitet, musste aber Abstand halten und warten, bis wir mit der Arbeit fertig waren. Jetzt will er mit mir toben! Dieser riesige, furchteinflößende Hund hüpft fiepsend um mich herum, hascht nach meinen Händen und möchte Fangen spielen. Ich kann nicht anders: Ich muss lachen! Und ganz egal, wie müde ich bin: Natürlich mache ich mit!
Es sind Momente vollkommener Leichtigkeit und Freude.
Ich bin außerordentlich dankbar dafür, dass meine inneren Bilder mir häufig schlicht das Leben zeigen, welches ich sowieso führe …

Um die liebende Güte einem Menschen zu senden, dem ich neutral gegenüberstehe, vergegenwärtige ich mir den Physiotherapeuten des Nachbardorfes. Ich schätze seine Fähigkeiten, finde ihn aber auch sehr sympathisch. Das ist vielleicht nicht so wirklich neutral, aber er kann seit einem Unfall nicht mehr normal gehen und insofern scheint mir mein Wunsch für ihn gut geeignet zu sein.
Als ich jedoch eingeladen bin, mir sein Lächeln vorzustellen, wenn mein Wunsch ihn erreicht, verwandelt er sich in einen Schemen, eine männliche Silhouette, die sich mir bedrohlich nähert.
„Ganz schlechte Idee!“ denke ich noch „Ich hätte keinen Mann wählen dürfen!“ und schiele dann zu meinem Rechner. Ich bin offline …

Nach dieser kurzen Pause versuche ich, bei der Atembetrachtung wieder einzusteigen …
Es wird dunkel und ich habe einen Moment lang Angst, dass die Schwärze wiederkommt. Aber ich fühle mich sicher, kann den Boden unter mir, die Kuscheldecke über mir deutlich spüren.
Ich entscheide, dass die Schwärze sein darf.
Eines der Bilder, die uns zur Meditation vorgeschlagen werden, ist das einer Sonne in unserem Herzen, deren Strahlen wir unseren ganzen Körper erfüllen lassen können.
„Okay!“, denke ich mir, „Dann wollen wir mal Licht ins Dunkel bringen!“.
Es wird tatsächlich heller: Die Dunkelheit ist jetzt eher graubraun, nicht mehr tiefschwarz – so ist das, glaube ich, ganz normal mit geschlossenen Augen.
Ich beginne schemenhafte Gesichter zu sehen. Das ist ein bisschen so, wie wenn man eine Lichtquelle angeschaut hat und dann die Augen schließt: dann sieht man eine Art Negativ. Ich seh in dem Moment halt nicht nur eine Glühbirne, sondern Gesichtszüge. Das passiert mir nicht zum ersten Mal, weswegen es mich nicht weiter wundert oder gar beunruhigt.

Jetzt allerdings sehe ich plötzlich klar, als würde ich Fotos anschauen, deren Farben ein wenig verblichen sind.
Ich sehe einen Mann in einem hellblauen Oberhemd, der auf einem Gartenstuhl sitzt, eine alte Frau in einem gepunkteten Kleid (es scheint mir pinkfarben zu sein, aber kann das sein in ihrem Alter?). Die Farben der Bilder und der Stil der Kleidung lassen mich vermuten, dass diese aus den 60er, 70er Jahren stammen – dabei weiß ich nicht einmal, seit wann es Farbfilme gibt.
Ein Bild zeigt mir ein Mädchen mit großen, traurigen Augen. Frisur und Kleid wirken sehr viel altmodischer und das Bild ist schwarz-weiß – es wirkt fast wie eine Zeichnung.

Die Bilder drehen sich – wie die Figürchen in alten Spieluhren.

Das nächste Bild ist in dunklen Brauntönen gehalten, ein großer, aber nur spärlich beleuchteter Raum. Ich sehe den nackten Rücken eines Mannes, sein Kopf ist gesenkt, aber ich kann erkennen dass er langes Haar hat.
Plötzlich wird mir klar, warum er sich dreht: Er steht nicht auf einem sich drehenden Podest, er hängt! Er ist erhängt worden.

Bevor er sich so weit drehen kann, dass er mir das Gesicht zuwenden würde, beginnt „der Film zu brennen“.
Das hab ich als Teenager mal im Kino erlebt: Mitten auf der Leinwand sieht man plötzlich einen winzigen Punkt, der sich rasend schnell ausbreitet und nur eine weiße Fläche hinterlässt – wer sich noch an Bonanza erinnert, kennt den Effekt.
In meinem Fall breitet sich die Dunkelheit aus – ich sehe nichts mehr.
„Ich habe etwas gesehen, das ich nicht hätte sehen sollen!“, denke ich.
Und beginne zu schluchzen. Versuche, auch das zuzulassen, weiter zu atmen, und spüre, wie mir die Tränen in die Haare laufen.
Grad ist es eine Erleichterung, dass ich schon wieder offline bin.

Eigentlich mag ich den Workshop für heute beenden – andererseits möchte ich nichts verpassen. Und eigentlich fühle ich mich auch schon wieder ganz gut! Ich kann es ja wenigstens mal versuchen …

Jetzt soll es darum gehen, uns mit den Elementen – Erde, Wasser, Luft, Feuer – zu verbinden.
Ich weiß gar nicht, was gerade im OFF war, die Internet-Verbindung oder meine Konzentration, aber ich habe eine vage Idee, was der Plan ist. Und ich tue, was ich kann.
Normalerweise komme ich gut klar mit Bildern, kann mich gut auf Geschichten einlassen …
Und so kann ich wirklich fühlen, wie meine Schultern vom Wasser getragen werden (ich schwimme leidenschaftlich gern!), aber eine krakeelende Stimme, die all das zu einem großen Blödsinn erklärt, ist beim besten Willen nicht zu überhören …
Mit solchem Quatsch kann ich wirklich nichts anfangen!
So kenn ich mich gar nicht …

Ich versuche, mich trotz der Widerworte mit den Elementen zu verbinden.
„Zeitverschwendung!“, höre ich im nächsten Moment. „Da kommt eh nix bei raus, in der Zeit kannst du auch Brotaufstrich machen!“
Und „Ich muss Pipi!“.
Mir bleibt wirklich nichts erspart …
Ich schleiche mich aus dem Meeting und verbinde mich anders als geplant, aber höchst lebensnah mit Wasser und Erde.

In der Abschlussrunde sind wir eingeladen, ein Wort für das Gefühl zu nennen, mit dem wir heute aus dem Workshop gehen. Bei mir sind es zwei und sie benennen gar keine Gefühle, aber sei’s drum: Ich empfinde Hilfsbereitschaft und Schutz.
Meine Anteile sind bereit, mir Dinge zu zeigen, die bislang in der Dunkelheit verborgen waren. Und sie beschützen mich, wenn alles zu viel wird.
Das Internet streicht endgültig die Segel.


Es dauert einen Moment, bis ich realisiere, wie erschüttert ich bin.
Weder bin ich eingeschlafen, noch habe ich halluziniert – aber was um alles in der Welt habe ich da gesehen?
Es gibt tatsächlich Anteile, las ich, die sich schützend vor oder zwischen andere stellen. In einer Traumatherapie werden sie gebeten, einen Moment lang beiseite zu treten und zu zeigen, was oder wer sich hinter ihnen verbirgt. Aber selbst wenn ich annehme, dass sie mich – als ich Licht ins Dunkel bringen wollte – etwas haben sehen lassen …
Das war ganz sicher keine Erinnerung! Oder jedenfalls nicht meine …

Offenbar habe ich auch solche Anteile, die „was ich anfange, bringe ich auch zu Ende!“ nicht auf ihre Fahnen geschrieben haben, auch wenn ich mein Leben lang auf Gedeih und Verderb danach verfahren bin.
Die fanden, für heute sei genug meditiert.

Das Bild von den Geistern, die ich rief, hab ich ja bereits bemüht und es war gut gewählt, wie mir scheint: Meine Anteile beginnen, sich zu zeigen. Zuweilen kann ich sie fast diskutieren hören:
„Nur weil wir uns beim Meditieren irgendwas eingebildet haben, stellen wir uns jetzt nicht an!“
„Wir haben etwas Schlimmes gesehen und mussten weinen! Wir wollen nicht mehr!“
„Wenn wir uns nicht um den Brotaufstrich kümmern, werden die Zutaten schlecht. Gespült ist auch noch nicht! Das Abendessen muss fertig werden!“
„Mit den Elementen verbinden … Schwachsinn!“
„Ich muss Pipi!“

Überflüssig zu erwähnen, dass ich Angst habe, verrückt zu werden, oder?
Ich mag sie! Ihre Existenz erklärt so vieles, was bisher völlig rätselhaft war!
Und ich kann erkennen, dass sie alles versuchen, um gut für mich und füreinander zu sorgen.
Ich mag sie sehr gerne in meinem /unserem Leben willkommen heißen!

Und habe furchtbare Angst, dass ich mir all das nur einrede. Schön rede.
Mir etwas ausdenke, obwohl ich eigentlich nur … ja was eigentlich? … bin.
Witzig … als ob es wichtig wäre, ob ich die Latten längs oder quer nicht alle am Zaun habe …

Für’s Erste hat mein Körper die Notbremse gezogen.
Schluss mit den Gedankenspielchen: Ich benötige meine volle Konzentration, um nicht über meine eigenen Füße zu stolpern. Nichts fallen zu lassen.
Neulich hab ich mit dem Gedanken gespielt, meinen Anteilen Indianer-Namen zu geben …
Grad hat Laufente Lisbeth das Zepter in der Ha … unter dem Flügel.

Das Gasthaus

Ganz genau genommen gibt es nicht nur die weisen Frauen, sondern auch einen weisen Mann, dessen Buch ich zur Zeit lese (auf dem Klo, wie alles, was Fach- oder schwierige Literatur ist – häppchenweise. Wenn ich damit fertig bin, mag ich mich an eine Rezension wagen).
Gerade lerne ich, dass auch „ganz normale“ Menschen nicht aus einem einzigen „Selbst“ bestehen, sondern aus unterschiedlichen Persönlichkeitsanteilen, die einander ignorieren und durchaus auch die Kooperation verweigern können.
Das hat – wenn man so will – schon der alte Goethe gewusst: „Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust“ …

Bei traumatisierten Menschen kann diese Aufteilung in verschiedene Anteile sehr ausgeprägt sein, ohne dass man schon von einer Persönlichkeitsstörung sprechen würde.
Wenn ich das für mich einmal so annehme, werden Phänomene nachvollziehbar, die bislang unerklärlich waren. Warum ich zum Beispiel immer wieder „Zeit verliere“: Ich gehe in die Küche um etwa Nudeln zu kochen und Bolognese-Sauce aufzuwärmen, ein Vorhaben, welches objektiv und großzügig geschätzt maximal 30 Minuten in Anspruch nimmt, bin zwei Stunden später fertig und kann mir nicht erklären, wie das passieren konnte.
Oder warum mein Blutdruck innerhalb von Sekundenbruchteilen extrem in die Höhe schnellt, als hätte ich eine Panikattacke, obwohl ich ganz entspannt bin und lediglich darüber nachdenke, was ich als nächstes tun möchte.

Ohne Frage verfüge ich über einen Anteil (oder er über mich?), der hochproduktiv ist und ständig Pläne schmiedet, was ich alles rasch mal erledigen, oder wenigstens gelegentlich in Angriff nehmen könnte.
Und einen kreativen, der sich Rezepte sehr viel lieber ausdenkt, als sie zu befolgen, Experimente liebt und sehr gerne bastelt und malt.
Wenn ich mir anschaue, was ich in der Küche so veranstalte, befeuern diese beiden sich vermutlich gegenseitig.

Es gibt aber auch einen, der sich angesichts solcher Pläne schnell verzagt und überfordert fühlt, dem dann alles zu viel ist und der sich wünscht, entlastet zu werden, der über Freiräume zur Erholung verfügen möchte.
Was, wenn es dieser Anteil ist, der Panik bekommt, sobald die anderen beiden sich anschicken, mal wieder Vollgas zu geben und ihn kurzerhand zu überrollen?

Weil mir die Geschichte vom Gasthaus so gut gefallen hat, beschließe ich, mich an einer Meditation zu diesem Thema zu versuchen und anstelle von Gedanken oder Emotionen Persönlichkeitsanteile einzuladen.
Ich vergegenwärtige mir den Schankraum, öffne die Türen … und weiß nicht recht, wie weiter …
„Aglaia?“, frage ich und spüre einen ganz leichten Druck auf meiner linken Schulter. Sie ist da, äußert sich aber nicht.

Wie kann ich meine Anteile einladen?
Der Ruhebedürftige möchte vielleicht ein Sofa … und der Kreative Bastelmaterial?
Ich stelle mir mein Wirtshaus mit Biertischen ergänzt um ein Sofa und eine Art Spielecke vor und stelle fest: Das passt so nicht, wir müssen anbauen!

Das weltbeste Schlafsofa steht im Wohnzimmer eines Hauses, in welchem ich unzählige Male meinen Urlaub verbracht habe und das mir seit vielen Jahren als innerer Ruheraum dient.
Hier wird het Kleintje sich wohlfühlen, denke ich, und habe damit womöglich diesen Anteil als jung, kindlich identifiziert.

Für den kreativen Anteil lasse ich den Bastelkeller meiner Mutter neu erstehen: Einen kleinen, körmeligen Raum, in welchem ich auch selbst viele Stunden verbracht habe. Mit Töpferbedarf, Effektglasuren, Öl- und Seidenmalfarben, Stoffen, Garnen, Perlen, Schmucksteinen, Strickmustern, Heißklebepistolen … was immer das Künstlerinnenherz begehrt!

Eine leichte Berührung am linken Unterschenkel lässt mich plötzlich Oskar als sehr präsent empfinden. Und warum nicht? Er hat für immer einen Platz in meinem Herzen, warum nicht auch in meinem Gasthaus?

Hin und wieder schleichen sich störende Gedanken ein.
Eine große Kommode mit vielen Schubladen und Platz für Schachteln und Schächtelchen macht sich gut im Schankraum! Hier ist Platz für die Gedanken, bis ich Zeit habe, mich ihnen zu widmen.

Wo würde sich mein produktiver Anteil wohlfühlen?
Die Küche in der Tagesklinik fällt mir ein, die hatte zwei Herde! Wenn das nicht produktiv ist, weiß ich auch nicht! Es gab außerdem eine Tür zum Garten und der Werkraum war nicht weit entfernt. Das passt!

Sowieso gefällt mir das Bild von der Tagesklinik!

Das war ein sehr schönes altes Haus, in dem ich eine wirklich gute Zeit verbracht habe.
Ich beschließe, den Schankraum meines Gasthauses durch den dortigen Gemeinschaftsraum zu ersetzen.
Hier können – stelle ich mir vor – meine Anteile einander begegnen und sich austauschen.
Aus dem OFF kommt der Einwand „Du hast den Kritiker vergessen!“.

In der Tat … und im selben Moment sehe ich Wilhelm Buschs Lehrer Lämpel mit dem erhobenen Zeigefinger vor mir. Und nicht nur das: Ich spüre ihn schmerzhaft in meinem Nacken! Der bekommt das Turmzimmer, von dem aus er auf alle anderen herabschauen kann. Und ein Schreibpult, um ihre Verfehlungen zu notieren.

Zurück im Gemeinschaftsraum stelle ich die Stühle in einem großen Kreis auf. So haben wir das in der Tagesklinik auch regelmäßig gemacht: Eine große Runde, um sich auszutauschen, Kritik loszuwerden und Vorschläge zu machen.
Ich erkläre – zumal ich ja gar nicht weiß, wer alles da ist – dass wir es für heute dabei belassen wollen, einander zur Kenntnis zu nehmen, als urplötzlich eine Frau hereingepoltert kommt. Sie ist Mitte dreißig, korpulent, mit Pagenschnitt und Brille. Und sie motzt lauthals los, was denn dieser Quatsch hier solle!?!
Ganz ehrlich: Ich habe keine Ahnung, wer das ist …

Ich vertage die Diskussion über Sinn und Unsinn der Veranstaltung auf das nächste Mal, vergegenwärtige mir den Boden unter meinem Körper, die Kuscheldecke über mir, den bullernden Küchenofen, meinen Atem … und kehre ins Hier und Jetzt zurück.

Später fällt mir auf, dass wir natürlich auch eine Schreibstube brauchen!
Ich hab schon so oft erzählt, dass mein Gehirn Texte formuliert, während ich spazieren gehe oder unter der Dusche stehe. Und dass ich wenig Einfluss auf die Auswahl des Themas habe …
Im Wintergarten, denke ich, mit Blick sowohl nach draußen, als auch nach drinnen.

Womöglich auch einen großen alten Holzschrank, in dem sich Platz für eine Ritterrüstung findet.

Und einen Platz für ein Alien!
Spontan denke ich an Walter Moers‘ schneeweiße Witwe, aber mein Alien ist nur für einen einzigen Menschen betörend schön und auf gar keinen Fall ist es tödlich! Außerdem will ich es ja auch gar nicht einsperren, sondern ihm Raum geben.
Vielleicht im Garten … ich glaube, es mag Blumen pflanzen.

Als ich die nächste Blutdruckspitze spüre, vermute ich, dass dies der ideale Zeitpunkt für einen Moment der Achtsamkeit sein müsste, in welchem ich mich meinem überforderten Anteil liebevoll zuwende. Andererseits stehe ich – schon halb ausgezogen, weil ich duschen möchte – im unbeheizten Badezimmer. Da muss ich gar nicht lange meditieren: Die Mehrheit will, dass jetzt! sofort! das heiße Wasser aufgedreht wird.
Kann ich Momente der Achtsamkeit vertagen?
Ich notiere „Kummerkasten für den Gemeinschaftsraum besorgen“.
Wir werden sehen …

***

Kafkas „Steuermann“ wird, soweit ich weiß, normalerweise anders interpretiert, dennoch hat mich diese Kurzgeschichte schon immer sehr berührt und ist mir anlässlich der Erfahrungen der letzten Tage wieder eingefallen.

Der Steuermann

»Bin ich nicht Steuermann?« rief ich.
»Du?« fragte ein dunkler hoch gewachsener Mann und strich sich mit der Hand über die Augen, als verscheuche er einen Traum. Ich war am Steuer gestanden in der dunklen Nacht, die schwachbrennende Laterne über meinem Kopf, und nun war dieser Mann gekommen und wollte mich beiseiteschieben.
Und da ich nicht wich, setzte er mir den Fuß auf die Brust und trat mich langsam nieder, während ich noch immer an den Stäben des Steuerrades hing und beim Niederfallen es ganz herumriss.
Da aber fasste es der Mann, brachte es in Ordnung, mich aber stieß er weg.
Doch ich besann mich bald, lief zu der Luke, die in den Mannschaftsraum führte und rief: »Mannschaft! Kameraden! Kommt schnell! Ein Fremder hat mich vom Steuer vertrieben!« Langsam kamen sie, stiegen auf aus der Schiffstreppe, schwankende müde mächtige Gestalten. »Bin ich der Steuermann?« fragte ich. Sie nickten, aber Blicke hatten sie nur für den Fremden, im Halbkreis standen sie um ihn herum und, als er befehlend sagte: »Stört mich nicht«, sammelten sie sich, nickten mir zu und zogen wieder die Schiffstreppe hinab.
Was ist das für Volk! Denken sie auch oder schlurfen sie nur sinnlos über die Erde?

Franz Kafka

Drei weise Frauen

Mit Achtsamkeitsübungen habe ich mich vor einigen Jahren schon einmal zu beschäftigen begonnen, mich dann aber mit Yoga – das unterstützend empfohlen wurde – wohler gefühlt. Das mag, obwohl der Yoga-Kurs mir anfangs furchtbare Angst gemacht hat, daran gelegen haben, dass die Anleitung dort nicht von einer CD kam, sondern von der Frau, die nun die Yogini unter „meinen“ weisen Frauen ist. Womöglich war es auch wichtig für mich, zunächst einmal in meinem Körper anzukommen, bevor ich meinem Geist die Zügel schießen lasse.

Als ich nun eingeladen werde, zum Jahresbeginn an einem Workshop zur Achtsamkeits- und Meditationspraxis teilzunehmen, scheint mir der geeignete Zeitpunkt gekommen.

Da der Workshop als Zoom-Konferenz stattfindet und ich die Dozentin seit vielen Jahren kenne, darf er, beschließe ich, als „im richtigen Leben“ gelten. Außerdem finde ich das Bild von den drei weisen Frauen unwiderstehlich.

Zum Auftakt machen wir eine kleine Phantasie-Reise, die mir sehr leichtfüßig und idyllisch erscheint bis ich einen Blick nach innen werfe und „die schwarze Säule“ sehe – einen tief-, ja lackschwarzen Streifen entlang meiner Wirbelsäule, ungefähr halb so breit, wie mein Brustkorb. Das passiert mir nicht zum ersten Mal und so bin ich zwar unangenehm überrascht, werde aber nicht panisch. Während der nächsten Etappe der Reise geht es um’s Loslassen, geschehen lassen und ich stelle mir vor, wie die Schwärze ohne mein Zutun von mir weicht. Das funktioniert recht gut.

Bei der anschließenden Feedback-Runde allerdings verliere ich die Fassung und beginne zu weinen.
Ich weiß, dass meine Reaktion nicht ungewöhnlich ist und mir nicht peinlich sein muss, aber ich möcht leiden, ich würde mal zu denjenigen gehören, die in solchen Momenten lächelnd darüber sprechen können, wie angenehm die Übung für sie war.
Stattdessen business as usual: Alle ganz entspannt im Hier und Jetzt – eine weint.

Als wir zu Beginn der zweiten Stunde eingeladen sind, zu berichten, wie es uns ergangen ist, kratze ich all meinen Mut zusammen und erzähle, dass ich mir blöd vorgekommen bin, weil ich geweint habe (oder eher, weil ich wieder einmal anders war), dann aber entschieden habe, dass das sein darf. Dass ich so sein darf.
Ein kleiner Schritt für die Menschheit, eine Mondlandung für mich.

Zunächst meditieren wir über die Frage, welche Qualitäten wir mit Hilfe der Achtsamkeitspraxis in unser Leben einladen möchten. Ich habe mir im Laufe der Woche eine Menge Gedanken darüber gemacht, welche Intention ich habe, was ich erreichen möchte. Was ich mir wünsche habe ich noch gar nicht bedacht …
Als die weise Meditierende vorschlägt, „Freude“ könne eine solche Qualität sein, denke ich mir „Freude! Ja klar! Nehmen wir doch Freude!“.
Ein Gefühl von Leichtigkeit stellt sich ein, ich spüre, dass ich zu lächeln beginne, und vor meinem inneren Auge sehe ich die Ponies, wie sie in der Sonne mit mir und dem Hund zum Haus laufen, um dort ihre Pony-Kekse in Empfang zu nehmen.
Stimmt … es gibt schon Freude in meinem Leben!

Rücklings auf meiner Yogamatte liegend beobachte ich bei einer weiteren Übung meinen Atem, als ich urplötzlich höllische Schmerzen bekomme. Meine linke Schulter steckt in einem Schraubstock und der Schmerz zieht sich bis zum Knöchel, auf dem überdies jemand zu sitzen scheint. Die Nackenmuskulatur wird knallhart, sogar mein Gesicht tut weh.

Kurz vorher haben wir gelernt, dass wir „störende“ Gedanken während der Übungen „etikettieren“ können: Sie kurz wahrnehmen und dann sozusagen in einer Schublade ablegen, um uns später damit zu befassen, weil wir in diesem Moment ja mit etwas anderem beschäftigt sind.
Die Idee gefällt mir sehr – wie ich störende Gedanken einfach „vorüber ziehen“ lassen soll, war mir immer rätselhaft.

Ob das wohl auch gegen störende Schmerzen hilft?
Im ersten Wurf etikettiere ich mit „Trauma“, stutze dann jedoch: Wozu hat das Kind einen Namen?
Stattdessen begrüße ich Aglaia und lade sie ein, sich zu mir zu legen.

Am Ende der Übung, bei dem wir spontane Bewegungen machen, die uns gerade gut tun, umarme ich mich. Uns. Die Schmerzen sind weg.

To be continued …

Was bisher geschah:

Weise Frauen

Achtsamkeit:
Jetzt ist jetzt
Wellness mit Schattenseiten
Übungssache

Das Yoga Projekt:
I: Kismet
II: Yoga, Gulasch und Fledermäuse
III: Energie und Liebe
IV: Die schwarze Säule
V: Wagnis Workshop

Aglaia

Die Taucherin will den Freischwimmer machen

Ich erinnere mich, dass meine langjährige Therapeutin in Deutschland mir einmal gesagt hat, irgendetwas in mir sauge meine Energie ab, aber sie könne mir beim besten Willen nicht sagen, was das sei.
Und ich selbst habe ja oft genug herumgeblödelt, ich sei so ein optimistischer und positiver Mensch, ich würde überhaupt nicht kapieren, warum ausgerechnet ich Depressionen habe.

Es ist tröstlich, jetzt mit „Trauma“ eine Erklärung zu haben. Ein schwacher Trost andererseits … es wird ja nichts besser davon. Aber die Frage, was um alles in der Welt eigentlich mit mir nicht stimmt, stellt sich jetzt immerhin anders.
Eine neue Fragestellung, leider, mit der ich ins Leere renne.

Ich zähle mich zu den sogenannten KriegsenkelInnen – meine Eltern haben einen Weltkrieg miterlebt, meine Großeltern zwei. Kriegstraumata, das weiß man heute, werden auf vielen verschiedenen Wegen an die nachfolgenden Generationen weitergegeben. Wer hierüber mehr erfahren möchte, dem empfehle ich „Kriegsenkel“ von Sabine Bode.
Ich fand das Buch interessant, habe hier und da Parallelen zu meinem eigenen Leben erkannt, mich aber nicht wirklich wiedergefunden … bis zu dem Kapitel, das mir kurzerhand den Boden unter den Füßen weggezogen hat. Das mir meine Erinnerungen plötzlich in einem vollkommen anderen Licht zeigte.

Ich bin außerdem ein „Verschickungskind“, eines der Kinder, denen in den 60er und 70er Jahren mehrwöchige Kuraufenthalte zur Stärkung und Förderung ihrer Gesundheit verordnet wurden.
Das Ausmaß der Demütigungen und Misshandlungen, denen die Verschickungskinder in diesen Kurheimen ausgesetzt waren, wird erst jetzt allmählich aufgedeckt (mehr Informationen dazu hier, hier und hier).
Ich selbst habe so gut wie keine Erinnerungen daran – ich war noch zu klein.

In solchen Fällen wird dazu geraten, Angehörige zu fragen, die damals bereits erwachsen waren, die sich erinnern können: Was geschehen ist, was sie beobachtet, vielleicht auch nur gemutmaßt haben …
Aber solche Menschen gibt es in meinem Falle nicht. Da ist niemand, den ich fragen könnte.

Kein Wunder also, dass Gesprächs- und Verhaltenstherapien mir nur begrenzt haben helfen können: Wie hätte ich über Dinge sprechen sollen, von denen ich entweder nicht wusste, dass sie bedeutsam sein könnten (siehe Dissoziation), oder an die ich mich gar nicht erst erinnere?

Ein Online-Kurs, über den ich mehr oder weniger zufällig stolpere (es gibt Momente, da mag ich nicht an Zufälle glauben – aber dazu ein andermal mehr), scheint mir hier eine gute Lösung zu sein, verspricht er doch, Erkenntnisse und Techniken zu vermitteln, die es möglich machen, mit Trauma zu leben, ohne dieses konkret zu thematisieren.

Näher werde ich einer Traumatherapie in der nächsten Zeit nicht kommen: Das Leben im Süden hat viele Vorteile, aber eine hohe Dichte psychotherapeutischer Angebote gehört nicht dazu.
Und wie gesagt: Eine Gesprächstherapie findet ihre natürliche Grenze dort, wo es nichts zu sagen gibt.

Nach den … sagen wir … bemerkenswerten Erfahrungen mit dem letzten (allerdings vorgeblich kostenlosen) Online-Angebot, schaue ich mir den Kurs gründlich an: Die Bedingungen scheinen mir seriös, der Preis angemessen und in diesem Falle gefällt mir auch die Dozentin: Sie erinnert mich sowohl an meine Therapeutin, als auch an meine Yoga-Lehrerin. Beste Voraussetzungen!

Und tatsächlich finde ich an den ersten Lektionen nichts auszusetzen, sie sind informativ und durchaus hilfreich.
So hatte ich mir das vorgestellt: Ich arbeite diese Lektionen durch und am Ende komme ich – ganz flauschig! – mit mir, meiner Familien- und Vorgeschichte, mit all dem Unaussprechlichen, Undenkbaren, der ganzen psychischen Sonderausstattung, einfach besser klar.
Mit der Betonung auf einfach.

Stattdessen schaltet sich mein Gehirn ein.
„Wir machen Traumatherapie? Da simmer dabei! Dat is pri-hi-ma!“*
* Ich kann nicht leugnen, in Sichtweite des Kölner Doms aufgewachsen zu sein …
Und wenn der Kurs noch so sorgsam darauf angelegt ist, nicht zu triggern, mein Gehirn fördert unermüdlich Erinnerungen zu Tage, richtet Scheinwerfer aus, um diese ganz neu zu beleuchten, und kreiert nächtens symbolträchtige Träume.

Zunehmend habe ich den Eindruck, mit der Entscheidung, dieses Thema endlich in Angriff zu nehmen, hab ich es Goethes Zauberlehrling gleichgetan: Die ich rief, die Geister, werd ich nun nicht los!
Sehr im Gegensatz zu den rennenden Besen, die der Zauberlehrling nicht mehr zu stoppen vermag, kann ich meine Online-Lektionen allerdings dosieren, das Tempo rausnehmen.

Was sagt eine Schnecke, die auf dem Rücken einer Schildkröte sitzt?
„Huiiiiiiiiiii!“ …

Mir wird klar, dass ich Hilfe benötigen werde … im richtigen Leben!

Und so wende ich mich an die „weisen Frauen“: Die Hebamme eines der Nachbardörfer, die außerdem Psychotherapeutin ist (das gefällt mir sehr: Sie hilft – so oder so – Menschen auf die Welt!) und meine Yoga-Lehrerin. Diese beiden, so hoffe ich, werden mich darin unterstützen, die Wogen, welche mein Selbstversuch in seelischer und körperlicher Hinsicht auslöst, wieder zu glätten.

Psychische Phänomene verstehen mit Douglas Adams: Dissoziation

Douglas Adams (* 11. März 1952, † 11. Mai 2001) hat der Nachwelt neben etlichen wunderbaren Zitaten, wie zum Beispiel Es gibt eine Theorie, die besagt, wenn jemals irgendwer genau herausfindet, wozu das Universum da ist und warum es da ist, dann verschwindet es auf der Stelle und wird durch etwas noch Bizarreres und Unbegreiflicheres ersetzt. – Es gibt eine andere Theorie, nach der das schon passiert ist.“ mit „42“ auch die finale Antwort auf alle – ja wirklich alle! – Fragen hinterlassen.

Einer meiner persönlichen Favoriten ist, wie kürzlich erwähnt, das PAL:
„Das PAL-Feld (Problem-anderer-Leute-Feld, engl. Somebody Else’s Problem (SEP)-field) dient zur Tarnung von Raumschiffen oder Ähnlichem. Es ist viel einfacher und wirkungsvoller als ein normales Unsichtbarkeitsfeld (und kann obendrein über hundert Jahre lang mit einer einfachen Taschenlampen-Batterie betrieben werden).
Seine Funktion beruht auf der angeborenen Neigung der Leute, nicht zu sehen, was sie nicht sehen wollen, nicht erwartet haben oder nicht erklären können. Sie erklären es einfach zum Problem anderer Leute und nehmen es deshalb schlicht nicht wahr.“
(Quelle: Wikipedia)

Was das mit Aglaia und mir zu tun hat?
Traumata, habe ich gelernt (und mich sehr zu begreifen bemüht) gehen mit einem Phänomen namens Dissoziation einher. Dissoziation ist das Gegenteil von Assoziation. Assoziation verknüpft Dinge miteinander, Dissoziation trennt sie. In traumatischen Situationen werden Emotionen, die das Individuum zu überwältigen drohen, abgespalten, um das Überleben zu gewährleisten. Die betreffenden Emotionen verschwinden zwar nicht, werden aber nicht mehr wahrgenommen, sind nicht mehr erreichbar.
So weit, so klar.

Nur ging es mir mit meinen Erkenntnissen zur Dissoziation genau wie mit denen aus dem Mathematik-Nachhilfeunterricht in der Oberstufe: Soeben erklärt, erschien noch alles logisch und einen Moment später … PUFF! … weg …
Ganz ähnlich verhielt es sich mit der Lektüre bezüglich schwarzer Pädagogik (mehr dazu hier) – es war, als würde mein Gehirn höflich, aber entschieden „nein, danke!“ sagen …

„Danke, wir sterben nicht!“ – das ist jetzt, sofern ich mich recht erinnere, nicht aus „Hitchhiker’s guide to galaxy“, sondern aus „Kentucky fried movie“ oder von Monty Python …
Aber danke: Ich dissoziiere nicht!
Und wenn es noch so naheliegend ist, wenn noch so viele Indizien dafür sprechen: Ich fühl das nicht! Für mein Empfinden empfinde ich vollkommen normal.

Andererseits weiß ich das schon seit vielen Jahren: Lange bevor von Depression auch nur die Rede war, habe ich in einer sehr belastenden Situation festgestellt „In mir ist so viel Weinen – wenn ich damit einmal anfange, kann ich nie wieder aufhören.“.
Und trotz all meiner Bemühungen hat dieses ganze Weinen sich einen Weg gesucht, mich immer wieder unverhofft von der Seite angesprungen (Heulsuse). Irgendwann hab ich sogar dann zu weinen begonnen, wenn ich eigentlich gelacht hab.

Dann sind da diese Kindheitserinnerungen, die neuerdings ganz plötzlich hochpoppen.
Nichts, was tatsächlich gänzlich neu wäre … ich kenn die alle.
Aber zum ersten Mal fällt mir auf, dass keine Emotion damit verbunden ist. Ich sehe dieses Kind und denke mir „Oje, dieses Kind muss völlig überfordert gewesen sein! Bestimmt hat es Angst gehabt, hat sich alleingelassen gefühlt! Vielleicht war es auch wütend …“
Fühlen kann ich nichts davon – vermutlich würde ich angesichts eines fremden Kindes in ähnlicher Situation mehr (Mit)gefühl aufbringen …

Ich habe keine Ahnung, wann genau ich „per Anhalter durch die Galaxis“ zum ersten Mal gelesen habe – es dürfte eher 40 als 30 Jahre her sein. Seitdem begleiten mich vogonische Dichtkunst, Raumschiffe, die am Himmel hängen, wie Ziegelsteine es nicht tun, sowie pangalaktische Donnergurgler.
Das mag der Grund sein, warum ein PAL-Feld, unter welchem die Emotionen meiner Kindheit vor mir verborgen liegen, für mich (be)greifbarer ist, als ein psychologisches Phänomen und sei es noch so gut dokumentiert.

Und das ist okay so.