Startschwierigkeiten

Und dann denk‘ ich wieder, ich habe überhaupt keine Depressionen. Ich bin einfach nur undiszipliniert, faul und scheiße. Lahmarschig nicht zu vergessen.
Dass solche Gedanken nicht förderlich sind, ist mir bewußt. Bei anderen jedenfalls. Aber vielleicht sind sie bei mir nur unangenehme Wahrheiten?

Ich liege morgens im Bett und bin durchaus wach. Nicht so zerschlagen und bleiern wie an manchen Tagen. Wach. Vor mir liegt ein ganz normaler Tag, nichts Beängstigendes. Okay, die Aussicht „ein Tag wie alle anderen“ kann unter Umständen hinreichend beängstigend sein, aber so empfinde ich meine Tage auf dem Hof nicht. Ich liege im Bett, starre die Decke an und denke an die Dinge, die ich mir für heute zu tun vorgenommen habe. Meist sind es solche, die ich tatsächlich tun möchte. Irgendwann beginne ich, diejenigen auszusortieren, die ich vor dem Mittagessen sowieso nicht mehr schaffen werde. Später werde ich meine Planung auf die wenigen Dinge eindampfen, die ich tatsächlich erledigen muss. Für „möchte“ ist dann keine Zeit mehr.
Objektiv hindert mich nichts daran, einfach aufzustehen. Ich bleibe liegen. Ich liege da und verachte mich für meine Disziplinlosigkeit. Denn was sonst sollte mich hindern?
Jetzt nochmal einschlafen wäre schön! Wenn ich nochmal aufwache, den Tag noch einmal beginne, dann hab ich zwar TOTAL verpennt, aber das passiert anderen Leuten auch und vielleicht klappt der zweite Anlauf dann besser. Ich starre die Decke an.
Ein Bodyscan trägt häufig dazu bei, dass es mir besser geht, selbst an solchen Tagen, an denen ich mich tatsächlich depressiv fühle oder starke Schmerzen habe. Aber da geht dann noch eine halbe Stunde bei drauf und ich wollte doch längst aufgestanden sein! Stattdessen liege ich da und tue gar nichts.
Bis es mir irgendwann im Laufe des Vormittages doch noch gelingt, mich aufzurappeln. Aber auch dann bin ich immer noch extrem langsam, verbringe mehr Zeit damit, zu überlegen, wie ich das jetzt sinnvollerweise anfange, als ich brauche, um es tatsächlich zu tun. Um rückblickend festzustellen, dass es mir heute doch wahrhaftig gelungen ist, noch vor dem Mittagessen den Tisch zu decken! In solchen Momenten könnte man dann wirklich Depressionen kriegen …

An Tagen wie diesem

 

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… denke ich darüber nach, ob ich nicht vielleicht doch eine von diesen Krankheiten habe. Diesen ganz seltenen, die die Ärzte immer nicht finden.
Wo nach langer medizinischer Odyssee alle „Ah!“ und „Oh!“ machen. Und sich was schämen, weil sie einen ganz heimlich doch immer für einen jammerigen, disziplinlosen Hypochonder gehalten haben, der sich einfach nur anstellt, statt mal die Arschbacken zusammenzukneifen.
Womöglich nimmt man dann einfach das richtige Antibiotikum und gut ist: Man ist wieder gesund!

Natürlich wünsche ich mir das nicht wirklich.
Aber an Tagen wie diesem frage ich mich, wie es sein kann, dass man morgens so dermaßen erschöpft und zerschlagen aufwacht. Jedenfalls, wenn man vorher keine 3 Wochen im Bergwerk geschuftet hat …

Ich komme nicht hoch. Es gelingt mir, die Augen aufzuschlagen, aber sowie ich auch nur in Erwägung ziehe, mich aufzusetzen, schwappt eine schwarze Woge über mich hinweg.
Nicht etwa der Verzweiflung: Ich glaube, es wird einfach so schlagartig dunkel, weil mir von jetzt auf gleich die Augen zufallen.
Wenn ich sie kurz darauf erneut öffne, ist oft eine ganze Stunde vergangen.

Ich fühle mich nicht deprimiert, ich fühle mich schwach.
Bestimmt könnte ich mich zusammenreißen und aufstehen, wenn etwas Wichtiges wäre. Aber mir will und will nichts Wichtiges einfallen. Nichts, was nicht auch bis morgen oder übermorgen warten könnte. Ich versuche, mich einfach so zusammenzureißen. Wieder wird es dunkel.

Die Erfahrung, dass es am Nachmittag meist besser wird, dass ich mich dann wieder bewegen kann und mir auch Dinge einfallen, die zu tun ich wichtig finde, die ich vielleicht sogar tun möchte, hilft kein bißchen. Sollte es tatsächlich auch heute besser werden, wird die Zeit nicht reichen.
Ich werde nur einen Bruchteil dessen geregelt kriegen, was andere Menschen als ihr normales Tagewerk ansehen und das wird daran liegen, dass ich wieder mal den Arsch nicht hochgekriegt habe.

Idiotischerweise habe ich mir gestern auch noch den Wecker gestellt. Weil ich der Ansicht war, es könne mir doch jetzt bitteschön mal wieder besser gehen. Ich habe meinen Wecker auf eine Uhrzeit gestellt, die ich nicht verraten möchte, weil sie mir peinlich ist. Aber ich wäre früher aufgestanden, als es mir an solchen Tagen sonst gelingt. Wäre … aber ich hab’s ja wieder mal nicht hingekriegt.

Nein, natürlich wünsche ich mir keine Krankheit.
Ich wünschte, ich könnte damit aufhören, mich an Tagen wie diesem selbst für undiszipliniert, willenlos und faul zu halten. Denn das ist, was ich tue: Ich fühle mich nicht krank, ich fühle mich wie eine absolute Versagerin.
Und ich wünschte, mein Bauchgefühl, das mir doch sagen sollte, ob meine Entscheidungen (vor allem die Lebensentscheidungen!) richtig sind, würde nicht in regelmäßigen Abständen „Landunter!“, „Katastrophe“ und „hat alles keinen Sinn!“ kreischen.
Wenigstens würde ich gerne sicher trennen können, wann es tatsächlich mein Bauchgefühl ist und wann meine Gehirnchemie mal wieder Geisterbahn fährt.

Dohoch, ich weiß, dass das Eine wie das Andere für Depressionen charakteristisch ist, die  Antriebslosigkeit und das Gefühl der Sinnlosigkeit wie der Verlust des Selbstwertgefühles.

Ich investiere eine Menge Zeit in das Bemühen, andere Menschen davon zu überzeugen, dass es sich um eine ernstzunehmende Erkrankung handelt und nicht etwa um Charakterschwäche.
Und kriege es nicht einmal bei mir selber hin.
Vermutlich, weil ich seit weit über 10 Jahren Ärzte und Psychiater an der Nase herumführe: Die glauben tatsächlich ich sei psychisch krank

Eine Diagnose wie bei einer „richtigen“ Krankheit wäre schön:
„Der Sowienoch-Wert in Ihrem Blut liegt unterhalb dieser und jener Schwelle, das beweist, dass Sie sehr krank sind. Hüten Sie das Bett, bis Sie sich besser fühlen. Und nein, da können Sie überhaupt nichts dafür – Sie sind von einem fiesen Insekt heimtückisch gestochen und infiziert worden!“

„Ich verschreib Ihnen was dagegen!“ wäre natürlich noch viel toller …

Stattdessen: Ein Tag wie dieser. Der vorübergeht.
Sie gehen immer vorüber, selbst dann, wenn sie sich zu wochenlangen Tiefs aneinanderreihen.

Aber sie kommen auch immer wieder.
Sie kommen immer wieder.

 

Gift für mich?

Kürzlich las ich bei „Zeit Online“ einen Artikel mit der Überschrift „Facebooks psychische Störung“. Eigentlich hatte der Scroll-Balken schon einen gesunden Abwärtsschwung: Was Facebook aus Menschen zu machen in der Lage ist, kann ich mir dort täglich anschauen. Und was passiert, wenn Computernetzwerke ein Bewusstsein entwickeln, ist seit Skynet hinreichend erklärt.
Dennoch reagiere ich auf die Stichwortkombination „psychisch / Krankheit“ oder eben „psychisch / Störung“ zugegeben mit einer leicht zwanghaften Lesereaktion …

Und durfte auf diesem Wege erfahren, dass soziale Medien Gift für depressive Menschen sind.
Social Media und Depressionen sind inkompatibel!“.

Nachdem die Erleichterung über die die Tatsache, dass ich den leichtsinnigen Konsum derselben gleichwohl ohne größere Schäden überstanden habe, oder jedenfalls zu haben glaube, ein wenig abgeklungen war, habe ich nicht etwa Abstinenz geschworen, sondern mich auf die Suche nach den Gründen gemacht, aus denen der besagte Artikel mir solches Unwohlsein hervorgerufen hat.
Denn das immerhin hat er: Die Lektüre hat mich mit gesträubtem Nackenfell und frisch erwecktem Widerspruchsgeist zurückgelassen …

Die Autorin stellt fest, dass die Nutzung von Social Media wie Facebook, Twitter und Instagram ihr während eines depressiven Tiefs nicht gut tut.

IMG_12624-q-webDas ist die Stelle, an der ich mich eigentlich als jemand outen muß, der nicht mitreden kann: Ich nutze einen FB-Account, aber ich twittere nicht. Und was instagram ist, vermag ich nur zu raten …
Aber mit Facebook und dem dortigen alltäglichen Wahnsinn immerhin bin ich dabei …
Outing die Zwote: Meine social media treiben ihr Unwesen lediglich auf meinem Rechner.
Ich besitze kein „kann alles“ Phone …
Ich kann mich dem Gift der social media also nur dann aussetzen, wenn ich den Weg aus dem Bett bis an den Rechner geschafft habe. Anziehen inklusive. An wirklich schlechten Tagen komme ich so weit gar nicht erst …

Aber bleiben wir bei der Autorin! Ihr tut das nicht gut, also läßt sie es sein.
Das ist okay. Extrem vernünftig.
Sie kennt Menschen, die auch Depressionen haben und die sich dann auch von Social Media fernhalten. Das ist auch okay. Sich Gleichgesinnte zu suchen, schadet nie. Und warum sollte man dann nicht auch auf ähnliche Lösungsstrategien kommen?

Mein Unbehagen setzt ab dem Punkt ein, an dem sie explizit schreibt, dass es keinerlei Forschungsergebnisse gibt, die ihre Behauptungen untermauern.
Klar kann einem das passieren … dass die eigene Idee einfach flotter ist, als irgendwelche ForscherInnen, die sie gerade mal bestätigen könnten. Das passiert auch den Besten!

Was mich aber ernsthaft stört ist folgender Absatz:
„Es gibt zwar keine wissenschaftlichen Arbeiten über die Auswirkungen sozialer Medien auf eine bereits bestehende Depression. Aber Experten halten einen negativen Zusammenhang für so selbstverständlich, dass er keiner besonderen Erwähnung mehr bedarf.“
Als Expertinnen zieht die Autorin ihre Psychiaterin und deren Vorgesetzte sowie eine Medienexpertin heran.
Das ist vermutlich treffender als die Analyse des Wirtes meiner Stammkneipe. Aber gleichwohl stampfen 3 Personen noch keine allgemeine Expertenmeinung aus dem Boden.
Und – by the way – ich habe großes Ver- und Zutrauen zu meiner Psychiaterin (die mich übrigens in all den Jahren nie auch nur gefragt hat, ob ich bei Facebook bin). Wenn ich ihr erzählte, dass soziale Medien mir nicht gut tun und ich sie deswegen meide, würde sie mich vermutlich in dieser Idee bestätigen. Wie auch in deren Gegenteil, sofern sie den Eindruck hat, dass ich für mich das Richtige tue.
Soviel also zur Allgemeingültigkeit …

Studien zu der Frage, ob Social Media Depressionen verursachen können, scheint es dagegen durchaus zu geben. Nur kommen sie nicht zu einheitlichen Ergebnissen – was im Einzelfalle ärgerlich, im Großen und Ganzen aber durchaus nicht ungewöhnlich ist.
Die Autorin zitiert eine, die zu dem Ergebnis kommt, dass, wer sich nicht mit seinen Bekannten vergleiche, sondern sich wohlwollend über Freunde und Familie informiere, nicht in eine Depression rutsche.
Und zieht daraus den Schluß, die Forscher hätten Facebook selbst wohl noch nie genutzt.

Nun, tatsächlich funktioniert Forschung genau so (oder sollte es jedenfalls): Man läßt eigene Erfahrungen, sofern man diese hat, außen vor und beobachtet stattdessen mit größtmöglicher Neutralität eine repräsentative Gruppe.

Warum der Autorin so sehr daran gelegen ist, eine Erkenntnis, die für sie selbst richtig und wichtig ist, gegen alle Widerstände zur allgemeinen Wahrheit zu stilisieren, erklärt sich womöglich an anderer Stelle, wenn sie nämlich schreibt „Ich war nicht mehr in der Lage, mich selbst in den sozialen Medien darzustellen. Bisher war ich durchs Leben gegangen und hatte es im Geiste zu Tweets formatiert und nach Bildmotiven für Instagram Ausschau gehalten.“.

Mal ganz unbelastet von Studien, Forschung und ExpertInnentum: Wer sein Leben freiwillig an der Frage ausrichtet, ob dessen Details zur Veröffentlichung bei Facebook etc. taugen, hat meines Erachtens ein Problem. Und kein kleines.
Dass der Verlust der Möglichkeit zur Selbstdarstellung schmerzt, mag ich gerne glauben – aber das ist nicht Schuld der sozialen Medien.

Wenn ich nun für mich festgestellt habe, dass ich der Verführung erlegen bin, mein Leben auf einer virtuellen Bühne zu inszenieren und mich nur retten kann, indem ich das Theater verlasse, dann ist das eine gute und wichtige Erkenntnis. Wenn ich diese aber wiederum „veröffentlichungsfähig“ machen muß, indem ich beweise, dass meine Erfahrung allgemeingültig ist, dann zeigt das nur, dass ich immer noch in der selben Falle sitze.

Offenbar handelt es sich bei dem Artikel auch um das Outing der Autorin als Mensch mit Depressionen – dafür hat sie meinen allergrößten Respekt.
Und natürlich hat sie Recht, wenn sie feststellt, dass wir offener über Depressionen sprechen müssen!
„Offen darüber sprechen“ wäre cool gewesen.
„ICH HAB WAS GANZ WICHTIGES RAUSGEFUNDEN!!! … und übrigens, ich habe Depressionen“ ist nicht cool. Schade.

Link zum Artikel: social-media-depression-facebook-twitter

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Ich hätte in meinem Leben nicht gedacht, dass ich mal eine Lanze für Facebook brechen würde …
Tatsächlich halte ich es für einen datensaugenden Zeitfresser, der nicht ganz ungefährlich ist.

Dennoch finde ich, dass Facebook für depressive Menschen ein nützliches Medium sein kann.

Wie bereits erwähnt, schaffe ich an richtig schlechten Tagen gar nicht erst den Weg zum Rechner. Meine Aufmerksamkeitsspanne ist dann manchmal in der Tat kläglich (zu Zeiten, wo ich mich noch zum Fernseher geschleppt habe, bin ich dann vor „Unsere kleine Farm“ eingeschlafen …), aber sie reicht aus, um einen Blick auf das Leben mehr oder weniger virtueller Freunde zu werfen.
Naturgemäß sind viele HundehalterInnen darunter. Aber auch Menschen, die mit Katzen, Pferden, Schafen und Ziegen leben.
Der regelmäßig kritisierte Umstand, dass Facebook einem stets nur zeigt, was man vermeintlich sehen möchte, kommt mir dabei durchaus zupass: Ich freue mich aufrichtig über Berichte vom gepflegt plüschigen Schoßhund, der sich beim Spaziergang mal richtig im Schlamm gewälzt hat, über Fotos von wuselnden Welpen in ihren Wurfkisten und über Videos von beinah gewonnenen Agility-Turnieren. Genauso wie ich mittrauere, wenn ein Tier verstirbt.
Das mag einer der grundlegenden Unterschiede zur reinen Selbstdarstellung sein: Es ist nicht alles eitel Sonnenschein.

In den Gruppen, deren Mitglied ich bin, spielt es keine Rolle, ob ich übernächtigt und mit verweinten Augen dasitze. Ich muß nicht Haltung wahren und nichts erklären, sondern kann einfach dabei sein.

Bevor jetzt jemand fragt, warum ich diese Menschen nicht lieber persönlich treffe:
Würde ich gerne! Die, die ich persönlich kenne, würde ich gerne (wieder)sehen und viele andere endlich einmal kennen lernen!
Hinderlicher noch als meine Depressionen sind hier die gut 1.000 Kilometer, die seit meinem Umzug nach Südfrankreich zwischen uns liegen.

Ein paar „Selbstdarsteller“ finden sich auch auf meiner Freundesliste. Aber sie sind nicht von der Sorte, die dokumentiert, wie großartig ihr Leben ist. Es sind Menschen, die Ihr Leben, seine Höhepunkte und Widrigkeiten mit einem Augenzwinkern schildern, oder auch mal ordentlich auf die Schippe nehmen. Sie laden ein, sich mit ihnen darüber zu amüsieren und ich nehme das Angebot gerne an.

Nachts kann es außerordentlich tröstlich sein, sich zu vergewissern, dass noch jemand wach ist. Ganz egal, ob man chatten mag oder sich gegenseitig Musikvideos vorspielt: Man ist nicht ganz und gar allein.

Natürlich ist mir bewusst, dass es sich hier größtenteils nicht um echte Freundschaften handelt, die über Jahre gepflegt werden wollen, Höhen und Tiefen überstehen müssen. Aus denen man sich nicht ausklinken kann, indem man den Rechner abschaltet.
Wie auch? Wer seinen Verstand halbwegs beisammen hat, gibt auf FB nichts preis, das wirklich privat ist.
Das Gefühl der Verbundenheit, das sich hin und wieder einstellt, tut trotzdem gut.

Was meine psychische Erkrankung betrifft, bin ich von dem Grundsatz, nichts Privates preiszugeben, nach reiflicher Überlegung abgewichen. Als ich begonnen habe, darüber zu bloggen, habe ich mich auch bei Facebook geoutet.
Weder hat die Erde gebebt, noch habe ich Freunde verloren. Es hat nicht einmal unangenehme Kommentare gegeben. Aber einige meiner Kontakte fühlen sich jetzt enger und vertrauensvoller an …

Wenn ich nachts den Eindruck habe, selbst auf Facebook die letzte zu sein, die den Weg ins Bett nicht findet, gucke ich Musikvideos bei Youtube. Und manchmal teile ich sie dann (ich hab meinerseits auch Spaß daran, wenn Freunde irgendwelche Stücke „ausgraben“, die wir vor 25, 30 Jahren ganz große klasse fanden).

Einmal war es die Titelmelodie von MASH …
Ich hatte nicht bedacht, dass der Originaltitel des Stückes, „Suicide is painless“, mißverstanden werden könnte.
Und erhielt umgehend die besorgte Nachfrage, ob bei mir alles in Ordnung sei.
Von einem dieser angeblich so flachen und bedeutungslosen Kontakte, die ich für meine FB Freunde halte …

wertlos

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Ich verliere mein Selbstwertgefühl.

Es ist schwer, sich selber wertzuschätzen, wenn man überdeutlich merkt, dass man zu den alltäglichsten und selbstverständlichsten Aktivitäten schlicht nicht in der Lage ist. Und selbst wenn es mir gelingt, den Anschein von Normalität aufrecht zu erhalten – es kostet mich ungeheure Kraft.

Neulich habe ich gelesen, dass auch das Grübeln typisch für depressive Menschen ist. Kann ich bestätigen.

Grübeln bedeutet, dass man sich über Probleme den Kopf zerbricht, die in der Vergangenheit liegen, die also entweder längst mehr oder weniger zufriedenstellend gelöst sind, oder an denen man eben gescheitert ist. Es ist ja vernünftig, sich Gedanken darüber zu machen, warum etwas nicht geklappt hat. Beim Grübeln kreist man aber wieder und wieder um dieselben Themen, ohne je zu einem Ergebnis zu kommen.

IMG_9610-q-webIch grübele nicht willentlich. Jahrzehnte alte Kränkungen und Verletzungen, Fehlschläge, Niederlagen springen mich aus dem Nichts an und lösen immer wieder die gleichen Gefühle aus.

Es bringt nichts, schöne Erinnerungen, erzielte Erfolge dagegenhalten zu wollen – die Niederlagen sind übermächtig.

Ich habe es mir selber vorgebetet und ich habe es mir von anderen erklären lassen: „Du hast das Abitur gemacht, eine Ausbildung abgeschlossen und ein Diplom an einer Hochschule erworben!“ All das ist mir NICHTS wert. Ich kann nichts, ich konnte nie etwas und ich werde nie etwas können!

Dass ich geschätzt, gemocht, geliebt werden könnte, kann ich mir in solchen Momenten auch nicht vorstellen – ich kann mich ja nur mühsam daran erinnern, das jemals erlebt zu haben.

Mittlerweile habe ich gelernt, dass ich das Grübeln immerhin unterdrücken kann: Das Gehirn kann nicht zwei Gedanken gleichzeitig denken. Wenn ich ein Hörbuch höre, so leise, dass ich mich anstrengen muss, um den Text zu verstehen, ist mein Gehirn hinreichend beschäftigt. Das hilft vor allem nachts.

Natürlich kann man auch üben, aktiv positiv dagegen „anzudenken“, das Gehirn also selber zu beschäftigen. Im Gegensatz zu den Grübeleien muss man sich hierzu jedoch anstrengen. An schlechten Tagen über viele Stunden. Meine Kraft reicht dafür oft nicht.