Mindestens eines der Kinder vermisst Oskar. So schmerzlich, dass es nicht sprechen, sondern nur bitterlich weinen kann.
Ich frage mich, was ich tun kann, um diesen Schmerz zu lindern …
Hin und wieder gesellt er sich in der Meditation von sich aus zu uns – aber ist es ethisch vertretbar, einen Hund, der schon seit Jahren die ewigen Jagdgründe durchstreift, zurückzurufen?
Eine liebe Freundin, die ich um ihren Rat bitte, schlägt vor, ich könne ihn doch einfach fragen …
Das erscheint mir sinnvoll und in der nächsten Hypnose lade ich ihn ein, Zeit mit uns zu verbringen.
Es klappt nicht. Ich kann ihn visualisieren, aber er selbst erscheint nicht. Offensichtlich ist eine hypnotische Trance keine Séance.
Also erkläre ich den Kindern, dass ich Oskar nicht wieder lebendig machen kann, wir ihm aber vielleicht eines Tages wieder begegnen werden. Und frage, ob wir uns bis dahin vielleicht gemeinsam einen Fantasie-Hund ausdenken wollen …
„Nein.“
Ein Stoffhund vielleicht?
„Nein.“
Die Idee, selbst etwas aus alten T-Shirts zu häkeln, findet dagegen Anklang. Das Ergebnis wird Gnufti getauft und schläft seitdem mit mir im Bett.
Ansonsten haben wir uns allmählich eingegrooved – die weise Hebamme, die Crew und ich.
Meine Psychotherapeutin aka die weise Hebamme und ich haben anfangs viel Zeit damit verbracht, uns zu versichern, dass wir beide wirklich das selbe meinen: Wir sprechen Englisch miteinander, nutzen also beide nicht unsere Muttersprache. Gelegentlich, wenn sie sich möglichst präzise ausdrücken möchte, spricht sie (langsam und deutlich!) Französisch mit mir – das funktioniert durchaus, ist aber sehr anstrengend. Umgekehrt ist das nicht möglich und es frustriert mich zuweilen, wenn ich einen Gedanken im Englischen nicht ausdrücken kann.
Nach wie vor geben wir einander regelmäßig Feedback, wer von uns gerade was verstanden hat, setzen zur Not Hände und Füße ein … aber mit der Zeit haben wir begonnen, einander auch intuitiv zu verstehen und es liegt nun eine gewisse Leichtigkeit darin.
Dass einige Crewmembers (vor allem die Kinder) gerne den sicheren Raum der Hypnose nutzen, um sich zu zeigen, habe ich neulich bereits erzählt.
Ganz allmählich lerne ich auch, zu unterscheiden, wann meine Gedanken wirklich meine eigenen sind, und wann eher nicht. Und ja: Ich fange an, Gespräche mit den Stimmen in meinem Kopf zu führen!
Neulich erst habe ich einen Podcast* angehört: „8 Anzeichen, an denen du erkennen kannst, ob du von deinem Trauma heilst“.
Stimme bei Anzeichen 2: „Ich werde NIEMALS heilen!“
Stimme bei Anzeichen 4: „Wovon redet die überhaupt?“
Und diesmal hab ich nicht den Mut verloren. Ich habe auch nicht entschieden, dass der Podcast blöd ist.
Ich habe erwidert, dass ich die Worte gehört habe. Und: dass ich anderer Meinung bin.
Ein penetrantes, leises Nörgeln, dass ich mir nicht alle acht Punkte gemerkt habe, das aber sowieso egal ist, weil ich sie ja sowieso nie erfüllen werde, kann ich immer noch hören.
Aber ich darf mich dafür feiern, begriffen zu haben, dass ich nicht alles, was ich denke, deswegen auch glauben muss.
Mein Unbewusstes seinerseits korrespondiert über meine Träume mit der weisen Hebamme: Die Ergebnisse unserer Gespräche finden Eingang in meine Träume und werden dort weitergesponnen.
Das entstandene Gespinst kann ich anschließend zu ihr zurück tragen.
Eines der Crewmembers hat einen ganz eigenen Weg gewählt, sich zu zeigen.
In der Nacht vor meinem Termin mit der weisen Hebamme habe ich geträumt, ich sei bereits dort.
Allerdings nicht allein.
Es war noch eine weitere Frau anwesend, die berichten wollte, was sie gesehen hat.
Sie muss Grauenvolles erlebt haben, aber sie hat es überlebt. Was ihr dabei geholfen hat, möchte sie zu meinem Schutz an mich weitergeben. Sie wacht über mich.
Dass dieser Schutz in meinem Leben gar nicht zwingend benötigt wird, kann sie nicht wissen, weil sie ein für allemal in der Zeit eingefroren ist.
Ich denke, dass sie deswegen den Kontakt auf dem sichersten Weg aufgenommen hat, der ihr zur Verfügung steht: Sie will mich auf gar keinen Fall alleine lassen.
Das muss sie auch nicht. Sie wird bleiben und mit mir zusammen heilen.
* Es handelt sich um den Podcast von Verena König: https://verenakoenig.de/blog-und-podcast