In meinen Zwanzigern habe ich einmal, in einer Art Varieté-Zelt, dem Auftritt eines Hypnotiseurs beigewohnt. Ich habe mich sogar gemeldet, als Freiwillige für die Bühne gesucht wurden!
Heute erinnere ich mich nur noch, dass ich, als er „Ihre Arme werden ganz leicht!“ gesagt hat, dachte „Is klar! Jetzt heben wir alle die Arme hoch …“ und einigermaßen befremdet war, als meine Arme tatsächlich in die Höhe strebten.
Beim „in den Pfirsich beißen“ allerdings bin ich rausgeflogen: Unverkennbar handelte es sich bei dem „Pfirsich“ um eine Zitrone!
So wurden nach und nach die Kandidat:innen aussortiert bis nur noch eine einzige Frau übrigblieb, die – und das hat mich damals schon beeindruckt! – schließlich auf zwei Stühlen lag, die Schultern auf dem einen, die Unterschenkel auf dem anderen, während der Hypnotiseur mit Anlauf auf ihren Bauch sprang. Sie verzog keine Miene, lag da wie ein Brett
Als ich mich um einen Hypnose-Termin in der Schmerzabteilung der Universitätsklinik bemühe, ist mir bewusst, dass mich jetzt garantiert kein Bühnenzauber erwartet, aber ein bisschen ängstlich bin ich schon! Was, wenn ich in der Hypnose die peinlichsten Geschichten meines Lebens erzähle? Oder irgendetwas Hochnotpeinliches tue?
Der Arzt (immer dran denken: er ist Arzt, kein Entertainer!) beruhigt mich: Nicht er wird mich hypnotisieren, sondern ich werde das selbst tun. Er wird mir nur dabei helfen, das zu lernen!
So weit verstehe ich ihn, aber dann gerate ich ins Schwimmen:
Entgegen meiner Hoffnung spricht er ausschließlich Französisch und ich habe ihm gesagt, dass ich ihm folgen könne sofern er langsam spräche.
Nun … wenn das langsam ist, möchte ich schnell nicht erleben …
Es passiert mir nicht zum ersten Mal, dass mir in besagter Klinik versichert wird: Doch, doch! Keine Sorge! Die Spezialist:innen sprächen Deutsch oder zumindest Englisch!
Beim ersten Mal hab ich das tatsächlich geglaubt.
Da bin ich auf Alzheimer getestet worden. Wer den Test kennt, weiß, dass es dabei unter anderem darum geht, sich Wörter zu merken und Gegenstände und Zusammenhänge korrekt benennen zu können. Natürlich weiß ich, wie das Tier mit dem Horn auf der Nase heißt! Nur nicht auf Französisch … Und klar: Was eine Armbanduhr und ein Lineal gemeinsam haben, ist das Messen von Einheiten! Sofern bekannt ist, was „Armbanduhr“, „Lineal“ und „messen“ auf Französisch heißt … Wir gestikulieren was das Zeug hält! Ich fokussiere mich auf den Umstand, dass die schiere Absurdität der Situation durchaus einen gewissen Unterhaltungswert hat, bin anschließend aber so erschöpft, dass ich kaum noch gehen kann.
Die gute Nachricht: Alzheimer habe ich nicht. Und ich sei gut organisiert, heißt es. Immerhin!
Beim zweiten Termin zeigt sich, dass ich die Aufgaben, die ich bis dahin hätte erledigen sollen, nicht vollständig verstanden habe. Also wird mir ein weiteres Mal – diesmal sehr langsam – erklärt, was ich tun soll.
Und: Zu meiner großen Erleichterung spricht der Arzt dann doch ein bisschen Englisch!
Heute lerne ich stattdessen, mir einen sicheren Raum vorzustellen.
Das kenne ich schon und habe, da der betreffende Raum tatsächlich existiert und ich ihn sehr gut kenne, keinerlei Schwierigkeiten, ihn vor meinem inneren Auge erstehen zu lassen. Und natürlich weiß ich, welche Geräusche ich höre und wie es dort riecht!
Neu ist, dass es explizit mein Körper sein soll, der dort in Sicherheit ist. Der Arzt führt mich durch eine Art Bodyscan (siehe: Wellness mit Schattenseiten) in meinem safe room.
Ich habe kein Problem, ihm zu folgen, merke aber bei dieser Gelegenheit, wie schwer es mir fällt, die Augen tatsächlich fest zu schließen. Ein winziger Spalt bleibt immer offen … nur für den Fall.
Und ich finde es extrem gruselig, mit geschlossenen Augen neben einem fremden Mann zu sitzen, der mir zuflüstert, wie sicher mein Körper gerade ist!
Das ist insofern nicht so schlimm, als ich ab jetzt alleine üben soll: jeden Tag 10 Minuten.

Zunächst kommt es hin und wieder vor, dass dabei plötzlich alles schwarz wird. Da ich diese Schwärze schon aus der Meditation kenne, macht sie mir keine Angst – aber ich weiß nicht recht, was ich tun soll: Hineinsehen und gucken, was passiert? Oder mich weiter auf meinen sicheren Raum konzentrieren?
Ich entscheide mich für Letzteres, aber es gelingt mir nicht, das „Licht wieder einzuschalten“.
Am Ende der Hypnose soll ich ein Geschenk aus meinem sicheren Raum mitnehmen und sorgsam verwahren. Ich stelle mir mein Vertiko vor (ein Familienerbstück), in welchem eine Holzschatulle mit Schnitzereien steht, die meiner Mutter gehört hat. Dort verstaue ich mein Geschenk.
Bei einer Gelegenheit ist das Vertiko mit Schwärze angefüllt und die Schatulle ist voll von etwas, das ich ganz sicher nicht sehen möchte. Es sieht aus wie Blut.
Ich werfe mein Geschenk hinein und schließe eilig die Tür.
Ein anderes Mal springt mich etwas an, als ich das Vertiko öffne.
Ich werde mir einen anderen Aufbewahrungsort suchen müssen – offenbar haben Familienerbstücke so ihre Tücken …
Der Arzt hat mir gesagt, dass es nicht jeden Tag gleich gut klappen wird.
Aber mit zunehmender Übung merke ich, dass ich mich mehr und mehr entspanne, kurz davor bin, einzuschlafen.
Gleichzeitig habe ich den Eindruck, dass ich weniger dazu neige meinen Kopf ein- und die Schultern hochzuziehen. Das tue ich sonst sogar im Schlaf: Mein Kopf ruht nie ganz entspannt auf dem Kissen, ein Ohr ist immer gespitzt, so, als könnte ich jeden Moment angegriffen werden. Kein Wunder, dass ich Verspannungen habe! Die schmerzen, hab ich mal gehört, am meisten, wenn sie sich lösen. Kommt mir auch so vor!
Und selbst als die Schmerzen allmählich nachlassen fühle ich mich immer noch, als hätte ich mich körperlich völlig verausgabt.
Dennoch: Ich genieße das Gefühl, mit dem mein Kopf ganz schwer in ein Kissen sinkt!
In meinem safe room ist es (warum auch immer) zartgelb und herrlich weich. Ich nutze die täglichen 10 Minuten, um meinen Kopf wieder und wieder hineinsinken zu lassen, den Nacken zu strecken und die Schultern zu entspannen.
Mein Körper ist hier sicher!