An Tagen wie diesem

 

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… denke ich darüber nach, ob ich nicht vielleicht doch eine von diesen Krankheiten habe. Diesen ganz seltenen, die die Ärzte immer nicht finden.
Wo nach langer medizinischer Odyssee alle „Ah!“ und „Oh!“ machen. Und sich was schämen, weil sie einen ganz heimlich doch immer für einen jammerigen, disziplinlosen Hypochonder gehalten haben, der sich einfach nur anstellt, statt mal die Arschbacken zusammenzukneifen.
Womöglich nimmt man dann einfach das richtige Antibiotikum und gut ist: Man ist wieder gesund!

Natürlich wünsche ich mir das nicht wirklich.
Aber an Tagen wie diesem frage ich mich, wie es sein kann, dass man morgens so dermaßen erschöpft und zerschlagen aufwacht. Jedenfalls, wenn man vorher keine 3 Wochen im Bergwerk geschuftet hat …

Ich komme nicht hoch. Es gelingt mir, die Augen aufzuschlagen, aber sowie ich auch nur in Erwägung ziehe, mich aufzusetzen, schwappt eine schwarze Woge über mich hinweg.
Nicht etwa der Verzweiflung: Ich glaube, es wird einfach so schlagartig dunkel, weil mir von jetzt auf gleich die Augen zufallen.
Wenn ich sie kurz darauf erneut öffne, ist oft eine ganze Stunde vergangen.

Ich fühle mich nicht deprimiert, ich fühle mich schwach.
Bestimmt könnte ich mich zusammenreißen und aufstehen, wenn etwas Wichtiges wäre. Aber mir will und will nichts Wichtiges einfallen. Nichts, was nicht auch bis morgen oder übermorgen warten könnte. Ich versuche, mich einfach so zusammenzureißen. Wieder wird es dunkel.

Die Erfahrung, dass es am Nachmittag meist besser wird, dass ich mich dann wieder bewegen kann und mir auch Dinge einfallen, die zu tun ich wichtig finde, die ich vielleicht sogar tun möchte, hilft kein bißchen. Sollte es tatsächlich auch heute besser werden, wird die Zeit nicht reichen.
Ich werde nur einen Bruchteil dessen geregelt kriegen, was andere Menschen als ihr normales Tagewerk ansehen und das wird daran liegen, dass ich wieder mal den Arsch nicht hochgekriegt habe.

Idiotischerweise habe ich mir gestern auch noch den Wecker gestellt. Weil ich der Ansicht war, es könne mir doch jetzt bitteschön mal wieder besser gehen. Ich habe meinen Wecker auf eine Uhrzeit gestellt, die ich nicht verraten möchte, weil sie mir peinlich ist. Aber ich wäre früher aufgestanden, als es mir an solchen Tagen sonst gelingt. Wäre … aber ich hab’s ja wieder mal nicht hingekriegt.

Nein, natürlich wünsche ich mir keine Krankheit.
Ich wünschte, ich könnte damit aufhören, mich an Tagen wie diesem selbst für undiszipliniert, willenlos und faul zu halten. Denn das ist, was ich tue: Ich fühle mich nicht krank, ich fühle mich wie eine absolute Versagerin.
Und ich wünschte, mein Bauchgefühl, das mir doch sagen sollte, ob meine Entscheidungen (vor allem die Lebensentscheidungen!) richtig sind, würde nicht in regelmäßigen Abständen „Landunter!“, „Katastrophe“ und „hat alles keinen Sinn!“ kreischen.
Wenigstens würde ich gerne sicher trennen können, wann es tatsächlich mein Bauchgefühl ist und wann meine Gehirnchemie mal wieder Geisterbahn fährt.

Dohoch, ich weiß, dass das Eine wie das Andere für Depressionen charakteristisch ist, die  Antriebslosigkeit und das Gefühl der Sinnlosigkeit wie der Verlust des Selbstwertgefühles.

Ich investiere eine Menge Zeit in das Bemühen, andere Menschen davon zu überzeugen, dass es sich um eine ernstzunehmende Erkrankung handelt und nicht etwa um Charakterschwäche.
Und kriege es nicht einmal bei mir selber hin.
Vermutlich, weil ich seit weit über 10 Jahren Ärzte und Psychiater an der Nase herumführe: Die glauben tatsächlich ich sei psychisch krank

Eine Diagnose wie bei einer „richtigen“ Krankheit wäre schön:
„Der Sowienoch-Wert in Ihrem Blut liegt unterhalb dieser und jener Schwelle, das beweist, dass Sie sehr krank sind. Hüten Sie das Bett, bis Sie sich besser fühlen. Und nein, da können Sie überhaupt nichts dafür – Sie sind von einem fiesen Insekt heimtückisch gestochen und infiziert worden!“

„Ich verschreib Ihnen was dagegen!“ wäre natürlich noch viel toller …

Stattdessen: Ein Tag wie dieser. Der vorübergeht.
Sie gehen immer vorüber, selbst dann, wenn sie sich zu wochenlangen Tiefs aneinanderreihen.

Aber sie kommen auch immer wieder.
Sie kommen immer wieder.

 

Veröffentlicht von

dieschattentaucherin

Schreibwütige Depressive auf ihrem Weg ins Sonnenlicht

4 Gedanken zu „An Tagen wie diesem“

  1. Sich selbst ernst zu nehmen in der depressiven Erschöpftheit ist nicht immer einfach, aber ein ganz wichtiger Schritt der Selbstakzeptanz & der Therapie. Du brauchst keine somatische Erkrankung. Antriebslosigkeit und Gleichgültigkeit reicht völlig aus. Wünsche dir gute Genesung. Liebe Grüße, Evan Julian

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  2. Im Grunde muß man ja fragen, warum nicht jeder empfindsame Mensch jeden Tag weinend und antriebslos in der Ecke liegt. Die anderen nimmt das Leben eben nicht so mit. Wie viele Tage es schon gab, an denen ich froh war, wieder nicht mit der Kettensäge meuchelnd durch die Innenstadt gelaufen zu sein…

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  3. ich kann es so gut nachvollziehen was du schreibst. das habe ich auch so oft gehabt. und manchmal immer noch. aber meine twins bewegen mich immer wieder an solchen Tagen. ich wünsche dir das es besser wird und es weniger und seltener wird. ganz liebe Grüße

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